Leitsatz

Jedem Wohnungseigentümer steht im Hinblick auf das gemeinschaftliche Eigentum ein Individualanspruch auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung, z.B. wegen Lärms oder auch durch eine bauliche Veränderung, gegen den Grundstücksnachbarn zu.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6 Satz 3; BGB § 226, § 1004

 

Das Problem

Wohnungseigentümer K klagt gegen den Eigentümer des benachbarten Grundstücks auf Unterlassung der Errichtung eines Zauns. Streitig ist u.a., ob K allein klagen kann. Das Landgericht (LG) gibt der Klage statt. Dagegen richtet sich die Berufung des Nachbarn B zum Oberlandesgericht (OLG).

 

Die Entscheidung

Die Berufung des B hat Erfolg! K stehe kein Anspruch auf Unterlassung der Errichtung des im Streit stehenden Zauns aus § 1004 Abs. 1 BGB oder aus § 226 BGB zu.

 

Kommentar

Prozessführungsbefugnis

K sei allerdings prozessführungsbefugt. Denn jedem Wohnungseigentümer stehe ein Individualanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung, z.B. wegen Lärms oder auch durch eine bauliche Veränderung zu. Einer besonderen Ermächtigung bedürfe es nicht (Hinweis auf BGH, Urteil v. 13.10.2017, V ZR 45/17, Rn. 8).

Keine Beeinträchtigung

Indes liege durch die Errichtung des Zauns keine direkte Beeinträchtigung des Eigentums des K i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB vor.

  1. Dies folge bereits daraus, dass der Zaun von B auf seinem eigenen Grundstück bzw. auf der Grundstücksgrenze errichtet worden sei.
  2. K könne auch nicht geltend machen, es liege eine Beeinträchtigung insoweit vor, als ihm – wie im Übrigen auch den anderen Miteigentümern, den Lieferanten, den Gästen der Gaststätte und der Müllabfuhr – durch den Zaun die Zu- und Abfahrt auf den hinteren Teil des Grundstücks versperrt werde und er dadurch nicht mehr auf den rückwärtigen Teil dieses Grundstücks fahren und dort parken könne. K verkenne, dass von ihm diese Zu- und Abfahrt über ein fremdes Grundstück begehrt werde, sodass dem vorliegend § 903 BGB entgegenstehe, wonach der Eigentümer des Nachbargrundstücks – also B – mit seinem Grundstück grundsätzlich nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung hierauf ausschließen könne.
  3. K stehe auch kein Recht auf Nutzung des das Grundstück des B quasi darstellenden Stichwegs als sogenanntem Dritten zu (§ 903 Satz 1 BGB). Nach der Rechtsprechung könne ein Grundstückseigentümer zwar die Beseitigung und Unterlassung der Behinderung der Zu- und Abfahrt (bzw. des Zu- und Abgangs) in entsprechender Anwendung von § 1004 Abs. 1 BGB vom bzw. zum öffentlichen Straßenland verlangen. Die Berechtigung folge daraus, dass zwar grundsätzlich eigentlich keine Teilhabe am Eigentum eines anderen bestehe, wohl aber am Gemeingebrauch. Nach dieser Vorschrift könne der Grundstückseigentümer deshalb auch Beeinträchtigungen des Gemeingebrauchs in diesem Zusammenhang abwehren. Der Anspruch setze aber stets voraus, dass es sich bei dem in Rede stehenden Grundstück oder Grundstücksteil um eine "öffentliche Straße" im Sinne des Straßenrechts handele. Unter "Gemeingebrauch" sei dabei der jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattete Gebrauch der öffentlichen Straßen zu verstehen. Gemeingebrauch bestehe also nur an rechtlich-öffentlichen, nicht an bloß tatsächlich-öffentlichen Straßen und Plätzen. Ansprüche wegen Behinderung des Gemeingebrauchs setzten daher voraus, dass die jeweilige Straße vor Eintritt der Behinderung als öffentliche Straße gewidmet worden sei. Dass die hier im Streit stehende Stichstraße gewidmet worden sei, trage K aber nicht vor. Er selbst bezeichne sie in der Klagschrift als "Privatstraße". Der Umstand, dass für die Eigentümer der am Ende der Stichstraße liegenden Wohnungseigentümergemeinschaft Wegerechte eingeräumt worden seien und diese bzw. B die Unterhaltungskosten der Stichstraße trügen, spreche vielmehr hiergegen.
  4. K stehe für sein Begehren schließlich auch kein Anspruch aus § 226 BGB zur Seite. Denn die Rechtsausübung des B verstoße nicht gegen das Schikaneverbot. Selbst wenn der Zaun tatsächlich nur errichtet worden sein sollte, um auf K Druck auszuüben, sich an den Unterhaltskosten für die Stichstraße zu beteiligen bzw. B die Stichstraße sogar abzukaufen, sei hierin keine Schikane zu erkennen, da hierbei durchaus zugleich berechtigte Interessen eines Eigentümers wahrgenommen werden würden.
Anmerkung
  1. Im Kern geht es bei diesem Fall zum einen um die Frage, ob ein einzelner Wohnungseigentümer bei einer angenommenen Störung des gemeinschaftlichen Eigentums gegen den Eigentümer des Nachbargrundstücks individuell vorgehen kann. Die Antwort auf diese Frage war lange Zeit unsicher, ist mittlerweile aber durch den Bundesgerichtshof (BGH) geklärt worden. Wie vom OLG berichtet, ist tatsächlich jeder Wohnungseigentümer nach der aktuellen Rechtsprechung berechtigt, gegen eine solche Störung vorzugehen. Der amtliche Leitsatz lautet insoweit wie folgt: "Für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BG...

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