Leitsatz

  1. Im Fall eines in der Gemeinschaft bestehenden Breitbandkabelanschlusses kann auch ein türkischer Miteigentümer verpflichtet werden, eine eigenständig angebrachte Parabolantenne zu entfernen
  2. Vorliegend war von optischer Beeinträchtigung und erheblicher Veränderung des Gesamteindrucks des Gebäudes als nachteiliger baulicher Veränderung auszugehen
  3. Kein Eigentümer hat Anspruch auf Empfang aller denkbaren Programme eines bestimmten Landes und kann insoweit auch auf Internetempfang verwiesen werden
 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG; Art. 4, 5 und 14 Abs. 1 GG

 

Kommentar

  1. Die beschlussweise von der Gemeinschaft eingeklagte Beseitigungspflicht der Parabolantenne hatte in 1. Instanz Erfolg; Berufung hiergegen sei nach Ansicht des Landgerichts ebenfalls nicht Erfolg versprechend.
  2. Insoweit hat der beklagte Eigentümer eine nicht duldungspflichtige und damit nachteilige bauliche Veränderung vorgenommen. Auch unter einzelfallbezogener Interessenabwägung ist vorliegend der optische Gesamteindruck des Hauses ganz erheblich nachteilig verändert (vgl. zuletzt BGH, NZM 2013 S. 193); von einer möglichen Duldungspflicht wäre nur dann auszugehen, wenn die vorgenommene Veränderung lediglich aus einer ganz ungewöhnlichen Perspektive, etwa aus der Luft oder von einem für Eigentümer und Dritte gewöhnlich nicht zugänglichen Ort (z.B. einer Dachfläche) zu erkennen wäre. Nach vorgelegten Fotos im Prozess handelte es sich bei der vom Beklagten installierten Satellitenanlage um die einzige am Gebäude, die auch von unten deutlich zu erkennen war.

    Selbst bei Abwägung von Art. 14 Abs. 1 GG (geschützte Eigentumsgarantie) und der Informationsgrundrechte (Art. 4 und 5 GG) überwiegen vorliegend die Rechte der restlichen Eigentümer. Wie auch im Mietrecht kann im Wohnungseigentumsrecht davon ausgegangen werden, dass grundsätzlich ein sachgerechter Grund für die Versagung der Genehmigung einer Parabolantenne dann gegeben ist, wenn über einen Kabelanschluss der Empfang einer ausreichenden Anzahl von Programmen gewährleistet ist, welche auch dem Informationsbedürfnis eines ausländischen Wohnungsnutzers Rechnung tragen (h.M., auch nach Entscheidungen des BVerfG).

    Vorliegend wäre es auch dem beklagten türkischen Eigentümer möglich, 12 türkischsprachige Programme über Kabel zu empfangen und für einen Preis von 22,50 EUR monatlich auch weitere Landesprogramme in Heimatsprache (vgl. etwa BVerfG, NZM 2005 S. 252, 253). Ein Anspruch auf Empfang aller denkbaren Heimatprogramme (auch solche kultureller, sprachlicher bzw. sportlicher Art) besteht hier nicht, wie dies im Übrigen auch für deutsche Staatsbürger gilt. So können sicher auch über Kabelnetz Programme gewünschter Art empfangen werden, die ausreichend Informationen vermitteln.

    Was das Grundrecht auf Religionsfreiheit betrifft, ist zunächst zu berücksichtigen, dass zentrales Element einer Religionsausübung die Teilnahme an Gottesdiensten oder vergleichbaren Handlungen ist (vgl. OLG München, NJW 2008 S. 235). Entsprechend ist Fernsehempfang nur dann geboten, wenn eine persönliche Teilnahme an religiösen Veranstaltungen einem Bewohner unter zumutbaren Voraussetzungen nicht möglich ist, er also auf Fernsehempfang mittels Parabolantenne angewiesen ist; Entsprechendes wurde vorliegend nicht vorgetragen (vgl. auch BVerfG v. 26.9.2011, 1 BVR 916/07).

  3. Das Berufungsgericht ist darüber hinaus entgegen der Ansicht des Amtsgerichts der Auffassung, dass zumindest im vorliegenden Fall für den Beklagten die Möglichkeit besteht, über einen Internetanschluss weitere Fernsehprogramme in Heimatsprache empfangen zu können. Dass in der Anlage die Möglichkeit eines Breitband-DSL-Anschlusses bestehe, hat der Beklagte ebenso wenig in Abrede gestellt wie den klägerischen Vortrag, dass entsprechende Fernsehprogramme im Internet kostenfrei zu empfangen seien (vgl. dazu auch AG Frankfurt a.M., Urteil v. 27.7.2011, 33 C 1957/11). Angesichts der geringen Anschaffungskosten von interfähigen Computern ist nicht ersichtlich, warum es dem Beklagten unmöglich sein sollte, das eigene Informationsbedürfnis über das Internet zu befriedigen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 21.12.2012, 2 BVR 2432/12).
 

Link zur Entscheidung

LG Frankfurt a.M., Hinweisbeschluss v. 21.5.2013, 2-13 S 75/12

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge