Leitsatz

  1. Anspruch auf Änderung des vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels nach zulässiger Unterteilung und berechtigtem Ausbau von Wohnungseigentum
  2. Maßgebend sind die Gesamtumstände des Einzelfalls in tatrichterlicher Würdigung
  3. Auch hinsichtlich einer Gemeinschaftsordnung kann auf Grundsätze ergänzender Vertragsauslegung abgestellt werden
  4. Bei vereinbartem Objekt-Stimmrechtsprinzip darf in der Gemeinschaft im Anschluss an eine berechtigte Unterteilung keine Stimmrechtsvermehrung eintreten
 

Normenkette

§§ 8, 16 Abs. 2 und 25 WEG; §§ 157 und 242 BGB

 

Kommentar

  1. Die neuerliche BGH-Entscheidung erging auf die Vorlage des KG v. 14.6.2004, 24 W 32/04, vgl. Gr. 2, 5717 ff. mit diesseitiger Anmerkung. Zum speziellen Sachverhalt darf auf die genannte KG-Vorlage verwiesen werden.
  2. Der BGH hat in seiner neuerlichen Grundsatzentscheidung folgende Leitsätze seiner Begründung herausgestellt:

    1. Ob eine Regelung über die Verteilung der Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums bei Anlegung eines strengen Maßstabs zu grob unbilligen, mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führt und damit ein Änderungsanspruch gegeben ist, kann nur aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls und nicht allein nach dem Maß der Kostenmehrbelastung des benachteiligten Wohnungseigentümers festgestellt werden.
    2. Unter Beachtung der Grundsätze für die Auslegung einer Grundbucheintragung ist auch eine ergänzende Auslegung der Gemeinschaftsordnung nicht ausgeschlossen. Sie kann im Einzelfall zu einem Anspruch auf Abänderung des in der Gemeinschaftsordnung festgelegten Kostenverteilungsschlüssels führen.
    3. Bei Vereinbarung eines Objekt-Stimmrechts führt die Unterteilung einer Wohnungseigentumseinheit auch im Fall der Veräußerung nicht zu einer Stimmrechtsvermehrung.
  3. Aus den tragenden Gründen der Entscheidung mit dem Ergebnis einer Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht:

    1. Der Antrag auf Zustimmung neuerlicher Kosten- und Lastenverteilung nach Wohn- und Nutzflächen der einzelnen Sondereigentumseinheiten gegenüber dem bisher geltenden, gesetzlichen Verteilungsschlüssel nach Miteigentumsanteilen ist im vorliegenden Fall grundsätzlich berechtigt (allerdings bezogen nur auf einzelne Ausgabenpositionen, da sich die Beteiligten über die Verteilung anderer Kosten, wie z.B. der Heizkosten bereits vergleichsweise geeinigt hatten). In der Teilungserklärung gab es keine Regelung über eine Kostenverteilungsänderung nach Unterteilung und Ausbau der beiden neugeschaffenen streitgegenständlichen Einheiten.
    2. Die Forderung nach Kostenverteilungskorrektur ist allerdings nicht auf einen allgemeinen Änderungsanspruch zu stützen, der von der Rechtsprechung aus einem Wegfall der Geschäftsgrundlage bzw. dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer abgeleitet und sehr restriktiv beurteilt wird. Auch auf Prozentsätze einer Mehrbelastung im Sinne der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung und zur Frage grob unbilliger Kostenverteilung kann nicht, zumindest nicht allein abgestellt werden. Zu berücksichtigen sind hier vielmehr die gesamten Umstände des Einzelfalls, auch Fragen, ob alle oder nur ein Teil der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten zu einem ungerechten Ergebnis führen. Abzustellen ist. u.U. auch auf eine längerfristige Betrachtungsweise (z.B. wirtschaftlicher Ausgleich einer nur einmaligen Kostenmehrbelastung). Eine Kostenmehrbelastung kann u.U. auch ausschließlich dem Risikobereich eines betroffenen Wohnungseigentümers zuzuordnen sein, was der Annahme einer groben Unbilligkeit entgegensteht. Ebenso ist ggf. darauf abzustellen, ob etwaige Auswirkungen einer nicht sachgerechten Kostenverteilungsregelung bereits beim Erwerb eines Wohnungseigentums absehbar waren. Diese Gedanken stehen der Festlegung einer allgemein gültigen Prozentgrenze der Bestimmung von Kostenmehrbelastungen entgegen.
    3. Aus diesem Grund muss eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls vorgenommen werden, ob eine Kostenverteilungsregelung bei Anlegung eines strengen Maßstabs zu unzumutbaren Ergebnissen führen kann; dies liegt in tatrichterlichemEinzelfallermessen. Die Entscheidung erschöpft sich hier nicht in der Beurteilung der Voraussetzungen des § 242 BGB, der i.Ü. nur einen beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum für ein Rechtsbeschwerdegericht eröffnet.
    4. Im vorliegenden Fall ergibt sich der Änderungsanspruch der Antragsteller im Wege einer ergänzenden Auslegung der Gemeinschaftsordnung, die auch der Rechtsbeschwerdesenat uneingeschränkt selbst vornehmen kann. Dabei ist - wie stets bei der Auslegung einer Grundbucheintragung - auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung und der dort zulässig in Bezug genommenen Unterlagen, insbesondere also der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung, dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres...

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