Leitsatz

Auch bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Bauträgerverträgen kann der Eingang der Annahmeerklärung regelmäßig innerhalb eines Zeitraums von 4 Wochen erwartet werden. Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen der den Abschluss eines Bauträgervertrags Antragende an sein Angebot länger als 3 Monate gebunden ist, sind stets mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbar

 

Normenkette

§ 308 Nr. 1 BGB

 

Das Problem

  1. Mit notarieller Erklärung vom 17. August 2004 gibt der Erwerber gegenüber dem Bauträger ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung in einem noch zu sanierenden Mehrfamilienhaus ab (die in einem denkmalgeschützten Gebäude gelegene Eigentumswohnung muss ebenso wie 13 andere Einheiten in einer der Errichtung nahe kommenden Art und Weise saniert werden, um sie in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen). Im Angebot heißt es u.a.: "Ich biete den Abschluss des in der Anlage zu dieser Urkunde beinhalteten Kaufvertrags an, an das ich mich bis zum Ablauf des 31. Dezember 2004 unwiderruflich gebunden halte. Nach Ablauf der Frist erlischt das Angebot nicht von selbst, kann jedoch von dem Anbietenden schriftlich widerrufen werden." Der Bauträger nimmt das Angebot mit notarieller Erklärung vom 18. Oktober 2004 an. Nach Zahlung des Kaufpreises und erklärter Auflassung wird der Erwerber als Eigentümer eingetragen.
  2. Der Erwerber meint, die Klausel mit der Bindungsfrist sei nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam, sodass die Annahme des Bauträgers verspätet sei.
 

§ 308 Nr. 1 BGB (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit)

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufs- oder Rückgabefrist nach § 355 Abs. 1 bis 3 und § 356 BGB zu leisten;

[…]

Gestützt auf diese Ansicht beantragt der Erwerber die Verurteilung des Bauträgers zur Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Rückübertragung.

 

Entscheidung

  1. Die Klage hat Erfolg. Der Erwerber habe gegen den Bauträger nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung. Zwischen den Parteien sei kein Vertrag zustande gekommen, sodass die Kaufpreiszahlung ohne Rechtsgrund erfolgte. Der Bauträger habe das Angebot nicht rechtzeitig angenommen. Zwar habe er die Annahme innerhalb der in dem Angebot enthaltenen Bindungsfrist erklärt. Aber die Klausel über diese Frist sei nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Das habe nach § 306 Abs. 2 BGB zur Folge, dass für die Annahmefrist die gesetzliche Regelung in § 147 Abs. 2 BGB gälte. Danach erfolgte die Annahme des Angebots nicht rechtzeitig. Gemäß § 146 BGB war das Angebots in diesem Zeitpunkt bereits erloschen.
  2. Unter Berücksichtigung der für den Vertragsgegenstand typischen Umstände ergäbe die Abwägung der Interessen der Verhandlungspartner, dass die in dem Angebot enthaltene Bindungsfrist von 4 Monaten und 2 Wochen den Erwerber unangemessen lange in seiner Dispositionsfreiheit beeinträchtigt habe. Denn die Frist gehe wesentlich über den in § 147 Abs. 2 BGB bestimmten Zeitraum hinaus. Dass der Bauträger hieran ein schutzwürdiges Interesse hatte, hinter dem das Interesse des Erwerbers an dem baldigen Wegfall seiner Bindung zurückstehen musste, sei nicht ersichtlich.
  3. Unter regelmäßigen Umständen könne derjenige, der einem Bauträger gegenüber ein Angebot abgibt, dessen Entscheidung innerhalb von 4 Wochen erwarten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Bauträger typischerweise beabsichtigt, erst dann über die Annahme des Angebots zu entscheiden, wenn ihm auch für einen Großteil der übrigen Einheiten des Bauprojekts bindende Angebote vorliegen. Ob die Realisierung eines Bauprojekts eine solche Platzierungsphase erfordere, hänge von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Finanzkraft des Bauträgers und den Vermarktungschancen des Vorhabens, ab. Aber auch bei Vorhaben, denen eine solche Phase vorausgehe, sei das Interesse des Bauträgers an einer längeren Bindung nicht durchgängig und damit typischerweise vorhanden. Wäre die Finanzierung bei einer Verkaufsquote von beispielsweise 60 % gesichert und diese Quote erreicht, entfalle es bei allen nachfolgenden Angeboten.
  4. Ob bei der Bestimmung, welche Frist angemessen ist, im konkreten Fall absehbare Verzögerungen zu berücksichtigen seien, oder ob insoweit allein eine generalisierende und typisierende Betrachtung geboten ist, bedürfe keiner Entscheidung. Der Parteivortrag ergäbe nichts dafür, dass der Erwerber wusste oder absehen konnte, dass der Bauträger für die Annahme des Angebots eine längere Zeit benötigte, als er unter regelmäßigen Umständen erwarten durfte.
  5. Habe – anders als hier – der Bauträger ein schutzwürdiges Interesse an der über die gesetzliche Annahmefrist (§ 147 Abs. 2 BGB) hinausgehenden Bindung, hinter welchem das Int...

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