A. Überblick

 

Rz. 1

Selbstständige Beweisverfahren kommen in verschiedenen Verfahrensordnungen vor. Je nach Verfahrensordnung sind Besonderheiten zu beachten.

Das selbstständige Beweisverfahren vor den Zivilgerichten richtet sich nach den §§ 485 ff. ZPO (siehe Rdn 2 ff.).
Im selbstständigen Beweisverfahren vor den Arbeitsgerichten gelten die §§ 485 ff. ZPO entsprechend (§ 46 Abs. 2 ArbGG), sodass auch hier ein Beweisverfahren möglich ist (siehe Rdn 46 ff.).
Ein selbstständiges Beweisverfahren ist auch in Familiensachen möglich, allerdings nur in Ehe- und in Familienstreitsachen. Die Vorschriften der §§ 485 ff. ZPO gelten für diese Verfahren entsprechend (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG), siehe Rdn 47 ff.
Auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist ein selbstständiges Beweisverfahren möglich (§ 98 VwGO), siehe Rdn 48 ff.
In finanzgerichtlichen Verfahren ist ein selbstständiges Beweisverfahren ebenfalls möglich (§ 82 FGO), siehe Rdn 49 ff.
Auch in sozialgerichtlichen Verfahren kommt ein selbstständiges Beweisverfahren in Betracht (§ 76 SGG), siehe Rdn 50 ff.

B. Beweisverfahren in zivilgerichtlichen Verfahren

I. Überblick

 

Rz. 2

Das selbstständige Beweisverfahren ist gegenüber dem Hauptsacheverfahren eine eigene selbstständige Gebührenangelegenheit, da es in den §§ 16, 19 nicht als zum Rechtszug gehörig aufgeführt ist und die Anrechnungsvorschrift der VV Vorb. 3 Abs. 5 ansonsten keinen Sinn ergäbe. Der Anwalt kann daher im selbstständigen Beweisverfahren und im Rechtsstreit sämtliche Gebühren gesondert verdienen. Zu beachten ist lediglich, dass die Verfahrensgebühren nach VV Vorb. 3 Abs. 5 aufeinander anzurechnen sind.

 

Rz. 3

Daher kann es für das selbstständige Beweisverfahren und den nachfolgenden Rechtsstreit zur Anwendung unterschiedlicher Gebührenbeträge kommen (siehe § 60 Rdn 74). Auch können unterschiedliche Umsatzsteuersätze anzuwenden sein (siehe Anhang zu VV 7008).

 

Rz. 4

Wird nach Abschluss des Beweisverfahrens beantragt, dem Antragsteller aufzugeben, Hauptsacheklage zu erheben, zählt diese Tätigkeit noch zum Beweisverfahren und löst keine gesonderten Gebühren aus (§ 19 Abs. 1 S. 1). Erst die Hauptsacheklage selbst löst eine neue Angelegenheit aus (siehe Rdn 23 ff.).

 

Rz. 5

Auch das Verfahren über die Kostenentscheidung bei unterlassener Hauptsacheklage zählt noch zum Beweisverfahren (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 9).

 

Rz. 6

Wird gegen die Kostenentscheidung oder deren Verweigerung eine Beschwerde eingelegt, ist dies dagegen eine neue Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3), die neben den Kosten des Beweisverfahrens eine Verfahrensgebühr nach VV 3500 auslöst.

II. Verfahrensgebühr

 

Rz. 7

Im selbstständigen Beweisverfahren erhält der Anwalt die gleichen Gebühren wie im ordentlichen Rechtsstreit, also die Gebühren nach VV Teil 3 Abschnitt 1, nach den VV 3100 ff.

 

Rz. 8

Es entsteht zunächst einmal die 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100. Erledigt sich das Beweisverfahren vorzeitig, gilt auch hier VV 3101 Nr. 1. Die Verfahrensgebühr reduziert sich auf 0,8.

 

Rz. 9

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, erhöht sich die Verfahrensgebühr nach VV 1008 um 0,3 je weiteren Auftraggeber, höchstens um 2,0.

 

Rz. 10

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen verschiedener Gegenstände, entsteht nur die einfache Gebühr. Diese berechnet sich jetzt jedoch aus den zusammengerechneten Werten der einzelnen Beweisanträge (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG).

III. Anrechnung einer vorangegangenen Geschäftsgebühr

 

Rz. 11

Ist dem Beweisverfahren eine außergerichtliche Vertretung vorangegangen, so ist die Geschäftsgebühr der VV 2300 oder der VV 2303 auf die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens anzurechnen. Sie ist dann aber nicht auch noch auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits anzurechnen (siehe Rdn 38).

IV. Terminsgebühr

 

Rz. 12

Auch im selbstständigen Beweisverfahren kann der Anwalt eine 1,2-Terminsgebühr nach VV 3104 verdienen. Die Terminsgebühr entsteht,

wenn es in einem gerichtlichen Termin zu Verhandlungen oder Erörterungen kommt (VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 1), z.B. im Fall des § 492 Abs. 3 ZPO,
wenn der Anwalt an einem vom Sachverständigen anberaumten außergerichtlichen Termin teilnimmt (VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1),

wenn der Anwalt an Besprechungen oder Terminen (auch) ohne Beteiligung des Gerichts und des Sachverständigen mit dem Gegner teilnimmt, um das Beweisverfahren zu erledigen und/oder einen nachfolgenden Rechtsstreit zu vermeiden (VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2). Dass im Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, ist unerheblich.

Die Besprechung muss dabei nicht mit der Gegenpartei oder deren Bevollmächtigtem erfolgen. Auch Besprechungen und Einigungen mit Dritten reichen im Rahmen der VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 aus. Solche Fälle sind etwa gegeben, wenn z.B. nach Einleitung des Beweisverfahrens der Sachbearbeiter des Haftpflicht- oder Schadensversicherers anruft, um den Schaden einvernehmlich zu regulieren, oder wenn sich der Antragsteller im Bauprozess an den "falschen" Antragsgegner gewandt hat und der tatsächlich verantwortliche Unternehmer sich dann zwecks Regelung beim Antragsteller meldet.

 

Rz. 13

Eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs....

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