Leitsatz

  1. Zulässige Anfechtung gegen den abtrennbaren Teil eines Beschlusses
  2. Keine Abtrennbarkeit der Anfechtung, wenn Sonderumlagebeschluss auf bestimmten Betrag reduziert werden soll
  3. Unzulässige Teilanfechtung im Zweifel als Anfechtung des gesamten Beschlusses auszulegen
 

Normenkette

§ 46 WEG; §§ 139, 308 ZPO

 

Kommentar

  1. Eigentümerseits wurde ein Sonderumlagebeschluss mit differenzierten Zahlungsbeträgen für 2 verschiedene Sanierungen des Gemeinschaftseigentums mit dem Ziel angefochten, die Höhe der jeweiligen Umlagebeträge zu reduzieren und die Beschlussgenehmigung insoweit für unwirksam zu erklären. Amtsgericht und Landgericht wiesen die Anfechtung zurück, da der einheitliche Sonderumlagebeschluss nicht in 2 Teile aufgespalten werden könne und einzelne Teilbeträge oder Rechnungsposten einer beschlossenen Sonderumlage nicht zum Gegenstand einer Anfechtungsklage gemacht werden könnten. Auf begründete Revision wurde der Streit vom BGH an das Berufungsgericht zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
  2. Vorliegend ist die Anfechtungsklage nicht wegen unzulässiger Teilanfechtung des Beschlusses für unzulässig zu erklären. Klägerseits wurde nämlich der gesamte Sonderumlagebeschluss angefochten, auch wenn er nach Wortlaut des Klageantrags lediglich hinsichtlich eines Teils der Sanierungskosten für unwirksam erklärt werden sollte.

    Sicher ist eine allein auf die Höhe einer beschlossenen Umlage beschränkte Anfechtung unzulässig, da eine solche Anfechtung nur auf einen abtrennbaren Teil eines Beschlusses beschränkt werden kann. Im Fall von Abrechnungsgenehmigungen kann sich eine Anfechtung daher auf rechnerisch selbstständige und abgrenzbare Teile der Abrechnung beziehen (h.M., etwa BGH, Beschluss v. 4.12.2009, NJW 2010 S. 2127 und BGH v. 15.3.2007, V ZB 1/06). An einer erforderlichen Abtrennbarkeit bei einem angefochtenen Beschlussgegenstand fehlt es jedoch grundsätzlich, wenn sich die Klage allein gegen die Höhe einer Umlage richtet. Ein Gericht kann eine beschlossene Regelung nicht inhaltlich ändern bzw. ergänzen oder ersetzen. Zu beschränken hat sich das Gericht allein auf Ungültigerklärung eines angefochtenen Beschlusses, sodass auch eine beschlossene Sonderumlage nicht durch das Gericht um einen bestimmten Betrag reduziert werden kann (Abramenko, ZWE 2012, S. 54; a.A. Briesemeister, ZWE 2012, S. 51).

  3. Wurde allerdings eine Anfechtung nach Klageantrag auf einen nicht abtrennbaren Teil des Beschlusses beschränkt, führt dies nicht zwangsläufig zu einer Klageunzulässigkeit. Im Zweifel ist ein solcher Klageantrag grundsätzlich als Anfechtung des gesamten Beschlusses auszulegen. Andernfalls würde man das Begehren nur in einem Sinne verstehen, in dem es von vornherein keinen Erfolg haben kann. Dies würde dann gegen den Auslegungsgrundsatz verstoßen, wonach eine Partei mit ihrer Prozesshandlung im Zweifel das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer zu Recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Beschluss v. 10.11.2009, NJW-RR 2010 S. 275). Auch vorliegend ist deshalb von nahe liegender Auslegung auszugehen, dass die Klägerseite den Beschluss zwar insgesamt anfechten, ihre materiell-rechtlichen Einwendungen aber auf die Höhe der beschlossenen Sonderumlage beschränken wollte. Dem steht auch nicht – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – § 308 Abs. 1 ZPO entgegen. Klageanträge kann das Gericht auslegen; im Fall beabsichtigter Auslegung abweichend vom Wortlaut des Klageantrags ist das Gericht allerdings zu entsprechendem Hinweis verpflichtet (§ 139 Abs. 1 ZPO) und muss sich vergewissern, dass die beabsichtigte Auslegung auch dem Willen des Klägers entspricht.

    Ohne entsprechende Aufklärung konnte hier das Berufungsgericht nicht von unzulässiger Klage ausgehen. Das Gericht hat der Klägerseite nicht eingeräumt, Klageantrag und verfolgtes Begehren zu erläutern. Dieses Versäumnis wurde jedoch dadurch behoben, dass die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH-Senat klargestellt hat, ihr Antrag sei dahin gehend zu verstehen, dass sie den Beschluss insgesamt anfechten wolle und lediglich ihre Einwendungen auf die Höhe der beschlossenen Umlage beschränkt habe. Somit war vorliegend von einer unbeschränkten Anfechtung auszugehen.

Anmerkung

Die Entscheidung bewegt sich sicher im Grenzbereich möglicher Auslegung eines Klageantrags und gebotener oder evtl. zu weitgehender richterlicher Hinweis- und Fragepflichten. Ein anwaltlich vertretener Kläger kann hier oftmals sehr schnell bei richterlicher Diskussion über die Auslegung des wirklichen Willens zu einem gestellten Klageantrag reagieren und so einer möglichen Klageabweisung entgehen. Eine Gegenseite kann solche rechtlichen Hinweise allerdings auch als richterliche Hilfestellung und Rechtsberatung bewerten, und zwar je intensiver sich das Gericht pflichtgemäß vergewissert, ob die vom Gericht angedeutete Auslegung des Klageantrags auch dem Willen des Klägers entspricht, welcher der Meinung des Gerichts kau...

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