Das Gericht setzt den Gebührenstreitwert, den es gem. § 23 Abs. 1 RVG auch hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung als Gegenstandswert zugrunde legt, auf 500,00 EUR fest. Dieser Bewertung liegen folgende Erwägungen zu Grunde:

Der Gebührenstreitwert bestimmt sich regelmäßig nach §§ 39 ff., 48 GKG, wobei in Ermangelung besonderer Vorschriften nur subsidiär auf die Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO zurückzugreifen ist. Auch wenn die Parteien – mangels eines Wettbewerbsverhältnisses untereinander – vorliegend nicht um wettbewerbsrechtliche Ansprüche streiten, geht das Gericht davon aus, dass es sich bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung der Zusendung unverlangter E-Mail-Werbung durch ein Unternehmen um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt; denn anders als bei etwa der Abwehr unerwünschter telefonischer Belästigung durch Privatleute (vgl. z. B. BGHZ 92, 346 = NJW 1985, 809) steht hier das wirtschaftliche Interesse eines Unternehmens an der Abwehr der durch unverlangte Werbe-Mails ("Spam") verursachten wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, insbesondere der Arbeitskraftbindung, im Vordergrund. Gem. § 48 GKG sind damit die Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO anwendbar und der Wert ist demnach gem. § 3 ZPO durch das Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen. Entscheidend ist das Interesse des Klägers (Zöller/Herget, ZPO, § 3 Rn 2), wobei Kosten gem. § 4 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. ZPO unberücksichtigt bleiben, soweit sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden, was insbesondere für Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung gilt (Zöller/Herget, § 4 Rn 13).

Dem Gericht ist eine Vielzahl von in der Rspr. vertretenen Auffassungen zum Streitwert oder zum Gegenstandswert der Abwehr unverlangter E-Mail-Sendungen bekannt, die im Wesentlichen zwischen 500,00 EUR (z.B. OLG Karlsruhe GRUR-RR 2008, 262) und 10.000,00 EUR (OLG Koblenz GRUR 2007, 352 = MMR 2007, 190) rangieren, wobei überwiegend als Begründung auf eigene Entscheidungen oder solche anderer Gerichte verwiesen wird; auch die Klägerin argumentiert mit Hinweisen auf Rechtsprechungsgewohnheiten. Eine gefestigte Rspr. hierzu aber kann das Gericht angesichts der genannten Spannweite nicht erkennen, geschweige denn ein Gewohnheitsrecht.

Richtigerweise ist die Streitwertfestsetzung einzelfallabhängig und an dem konkreten, tatsächlichen Interesse des Klägers an der Abwehr des angegriffenen Verhaltens festzumachen. Bezogen auf den vorliegenden Fall ist also maßgeblich die gem. § 3 ZPO zu schätzende Beeinträchtigung, die von dem beanstandeten Verhalten zu besorgen ist und die beseitigt werden soll (Zöller/Herget, § 3 Rn 16 Stichwort: Unterlassung). Wichtigstes Argument dabei für einen Unternehmer wie die Kl, die sich gegen die Verwendung ihrer geschäftlichen Mail-Adressen für unverlangte Werbung wendet, sind Zeit und Kosten, die durch Spam-Mails verursacht werden: So ist Arbeitszeit erforderlich, um erwünschte von unerwünschten Mails zu trennen. Vereinzelt wird von Gerichten auch immer noch mit Übertragungskosten argumentiert, obwohl die Tarifwirklichkeit heute längst eine andere ist und im mittelständischen gewerblichen Bereich Volumentarife praktisch überhaupt nicht mehr vorkommen; dies einmal abgesehen davon, dass in keinem der bei der Datenbank-Recherche des AG gefundenen Fälle, in denen u.a. auf Übertragungskosten abgestellt worden ist, auf tatsächlichen Parteivortrag Bezug genommen wurde, aus dem sich ergeben hätte, dass höhere Übertragungskosten aufgrund eines Volumentarifs anfallen würden. Das AG erkennt die Problematik des Zeitaufwands bezahlter Mitarbeiter durchaus an und erachtet sie als maßgeblich für die Bewertung des klägerischen Abwehrinteresses, ebenso wie es bei entsprechendem – hier nicht eingebrachten – Vortrag auch Mehrkosten durch Volumentarife als streitwertrelevant ansehen würde. Dabei berücksichtigt es auch den von der Kl angeführten Punkt, dass auch und gerade die in der Zukunft noch zu erwartenden Belästigungen entscheidend für die Bewertung des Abwehrinteresses sind.

Das AG hat gesucht und kein einziges Argument für Streitwerte von mehreren Tausend EUR gefunden, das es, jedenfalls übertragen auf den vorliegenden Fall, überzeugt hätte. Im Einzelnen: So wird ein Streitwert von 10.000,00 EUR u.a. damit begründet, dass es sich bei Spam-Mails um ein "Ärgernis" handele, "dessen finanziellem Anreiz nur durch eine entsprechende Streitwertfestsetzung angemessen begegnet werden kann" (OLG Koblenz GRUR 2007, 352 = MMR 2007, 190). Dieses häufig genannte Kriterium der Abschreckungswirkung aber (auch herangezogen z.B. von LG München, Urt. v. 10.10.2008 – 23 O 1724/08, BeckRS 2008, 24083) findet sich weder in § 23 RVG noch in §§ 39 ff. GKG noch in §§ 3 ZPO. Tatsächlich ist der Abschreckungsgedanke allenfalls bei der Bemessung einer verwirkten Strafe zu berücksichtigen, nicht aber beim Gegenstandswert oder dem gerichtlichen Gebühren- oder Zuständigkeitsstreitwert, wo es vielmehr maßgeblich auf das Interesse des Klägers an der begehrten ...

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