RVG §§ 45 ff.

Leitsatz

  1. Eine geleistete, teilweise Kostenerstattung führt nicht zum Nachrang oder zum Erlöschen des Vergütungsanspruchs im Rahmen der Prozesskostenhilfe. Vielmehr bestehen der Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner, der sich nach der Wahlanwaltsvergütung (§§ 13 ff. RVG) richtet, und der Vergütungsanspruch im Rahmen der Prozesskostenhilfe (§§ 45 ff. RVG) im Rahmen der Anrechnungsvorschrift des § 58 Abs. 2 RVG und unter Berücksichtigung eines eventuellen Forderungsübergangs nach § 59 RVG nebeneinander.
  2. § 58 Abs. 2 RVG enthält eine gesetzliche Zweckbestimmung dergestalt, dass Zahlungen ohne besondere Zweckbestimmung erst auf die Differenz zwischen seinem gesetzlichen Anspruch auf Wahlanwaltsgebühren und seinem Anspruch gegen die Staatskasse aus der PKH-Tabelle zu verrechnen sind.
  3. Damit wird der Anwalt geschützt, denn der ihm auf jedem Fall verbleibende Vergütungsgrundbetrag nach § 49 RVG ist durch die Einstandspflicht der Staatskasse abgesichert.
  4. Das RVG trifft somit eine spezifische Regelung für das Zusammentreffen eines Anspruchs nach §§ 45 ff. RVG mit einem Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner. Zahlungen des Prozessgegners sind daher zunächst bei der Wahlanwaltsvergütung (die für die Kostenerstattung durch den Prozessgegner maßgebend ist) zu berücksichtigen, soweit diese die Vergütung nach §§ 45 ff. RVG übersteigt.

Bayerischer VGH, Beschl. v. 5.4.2017 – 19 C 15.2425

1 Sachverhalt

Der Beschwerdeführer verfolgt – ergänzend zur Anfechtung der Kostenfestsetzung – die Erstattung von 202,03 EUR im Wege der Prozesskostenhilfe und wendet sich insoweit gegen den ablehnenden Vergütungsfeststellungsbeschluss.

Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens vor dem VG war die Klage gegen die Inanspruchnahme für Abschiebungskosten i.H.v. 10.134,69 EUR durch Leistungsbescheid des Landratsamtes. In dem Leistungsbescheid war ein Betrag i.H.v. 8.519,60 EUR für Kosten der Sicherungshaft zur Abschiebung v. 17.12.2009 bis zum 14.4.2010 enthalten. Die diesbezüglich erhobene Klage wurde damit begründet, dass wegen eines laufenden Ermittlungsverfahrens die Abschiebung habe nicht vollzogen werden können und die Abschiebungshaft daher rechtswidrig gewesen sei. Der Klägerbevollmächtigte verwies insoweit auf das aktuelle Urteil des BVerwG v. 10.12.2014 (1 C 11.14). Nach ausführlichem richterlichen Hinweisschreiben des VG v. 10.3.2015, wonach Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungshaft für den Zeitraum v. 17.12.2009 bis zum 15.3.2010 bestünden, hob der Beklagte mit Bescheid v. 17.3.2015 den Leistungsbescheid insoweit auf, als eine Kostenerstattung von mehr als 3.708,89 EUR geltend gemacht wird. Mit Beschluss des VG wurde dem Kläger zu ¾ der Kosten Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit teilweise für erledigt, im Übrigen nahm der Kläger die Klage zurück. Mit Beschl. v. 1.4.2015 stellte das VG das Verfahren ein; von den Kosten des Verfahrens wurden dem Beklagten ¾ und dem Kläger ¼ auferlegt.

Der Klägerbevollmächtigte beantragte u.a. die Festsetzung einer Erledigungsgebühr gem. Nr. 1003, 1002 VV mit der Begründung, ein Telefonat des Prozessbevollmächtigten mit dem Berichterstatter habe zu dem richterlichen Hinweis geführt, der schließlich in die Erledigung durch Teilaufhebung des Leistungsbescheids gemündet habe.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss v. 24.6.2015 wurden Kosten i.H.v. 606,10 EUR festgesetzt und die Festsetzung einer Erledigungsgebühr mit der Begründung abgelehnt, die Tätigkeit des Rechtsanwalts sei nicht über eine allgemeine Verfahrensförderung hinausgegangen. Mit Beschl. v. 21.7.2015 wies das VG die Kostenerinnerung des Klägerbevollmächtigten zurück. Die Beschwerde v. 11.8.2015 hat der Senat mit Beschl. v. heutigen Tag zurückgewiesen (19 C 15.1844).

Mit Vergütungsfestsetzungsantrag v. 17.8.2015 beantragte der Beschwerdeführer die Erstattung von 202,03 EUR im Wege der Prozesskostenhilfe mit Verweis auf § 58 Abs. 2 RVG. Dem Antrag lag eine Aufstellung über einen Anspruch auf Prozesskostenhilfevergütung gem. § 49 RVG i.H.v. 483,26 EUR zugrunde, dem ein Anspruch auf Regelvergütung gem. § 13 RVG i.H.v. 808,13 EUR gegenüber gestellt wurde. Abzüglich der von dem Beklagten zu erstattenden Kosten i.H.v. 606,10 EUR sei zur Abgeltung der Regelvergütung im Wege der Prozesskostenhilfe nach § 58 Abs. 2 RVG ein Betrag von 202,03 EUR ergänzend zu erstatten.

Mit Vergütungsfestsetzungsbeschl. v. 24.9.2015 wurde der Vergütungsfestsetzungsantrag des Klägerbevollmächtigten abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der beigeordnete Klägerbevollmächtigte könne wählen, ob und inwieweit er sich wegen seiner Vergütung im Wege der Erstattung der Prozesskostenhilfe an die Staatskasse gem. §§ 45 ff. RVG halten wolle, oder seinen Erstattungsanspruch gegen den unterlegenen Verfahrensgegner geltend mache. Der jeweils höhere Anspruch bilde wegen § 15 Abs. 2 RVG die absolute Obergrenze. Die Vergütung, welche der beigeordnete Klägerbevollmächtigte im Wege der Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse hätte verlangen können...

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