Einem Paukenschlag[1] gleich kommt die Entscheidung des BGH v. 5.6.2014.[2] Ausdrücklich ändert der BGH seine Rspr. zum Komplex Vergütungsvereinbarung einschließlich Erfolgshonorar.

Nach Auffassung des BGH ist eine gegen die Formvorschriften der §§ 3a Abs. 1 S. 1 u. 2 bzw. 4a Abs. 1 u. 2 RVG verstoßende Vergütungs- bzw. Erfolgshonorarvereinbarung grundsätzlich wirksam; aus ihr kann aber die vereinbarte Gebühr lediglich bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren gefordert werden.

Ist wie im konkreten Fall das vereinbarte (zum Teil Erfolgs-) Honorar niedriger als die gesetzliche Vergütung, so kann entsprechend der bisherigen Rspr. nicht mehr als das vereinbarte Honorar gefordert werden.

Die Entscheidung hat etliche Auswirkungen auf die Praxis:

Handelt es sich um eine wirksame Vereinbarung, die lediglich betragsmäßig durch die gesetzliche Vergütung begrenzt ist, dann bedarf es des Hinweises auf die Streitwertabhängigkeit der gesetzlichen Vergütung gem. § 49b Abs. 5 BRAO nicht;[3] dies war in letzter Zeit Gegenstand einer Kontroverse in dieser Zeitschrift.[4] Der Hinweis gem. 49b Abs. 5 BRAO ist in einer Vergütungsvereinbarung nur erforderlich,[5] wenn die vereinbarte Vergütung streitwertabhängig ist, wie z.B. bei der Vereinbarung eines Faktors der gesetzlichen Gebühr.[6] Die gegenteilige Auffassung[7] gibt nur Sinn, wenn die gegen Formvorschriften verstoßende Vergütungsvereinbarung nichtig wäre – gerade das Gegenteil hat der BGH jetzt entschieden.
Fordert der Mandant das aufgrund einer gegen die Formvorschriften verstoßenden Vergütungsvereinbarung gezahlte Honorar zurück, so galt bislang ein Rückforderungsanspruch auf den vollen Betrag, solange nicht der Anwalt eine Abrechnung auf gesetzlicher Gebührenbasis erstellte; jetzt obliegt es dem zurückfordernden Mandanten, die Berechnung der gesetzlichen Gebühren selber vorzunehmen und nur die hierzu überzahlte Differenz zurückzufordern. Da es sich um vereinbartes Honorar handelt, erscheint dies für den Gläubiger einer Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht unbillig.
Macht der Anwalt vereinbartes Honorar bei gegen die Formvorschriften verstoßender Vereinbarung geltend, braucht er die gesetzliche Vergütung nicht zusätzlich mit einer den Formschriften des § 10 RVG entsprechenden Rechnung zu belegen, sondern kann dies dem Gericht überlassen – womit er aber in der Praxis nicht immer gut bedient sein dürfte.
Auf an eine unter Verstoß gegen §§ 49b Abs. 1 BRAO, 4 Abs. 1 RVG für ein gerichtliches Verfahren vereinbarte, unter den gesetzlichen Gebühren liegende Honorarvereinbarung ist der Rechtsanwalt gebunden,[8] sofern ihn der Mandant bei Vergütungsvereinbarungsabschluss "nicht über tatsächliche Umstände täuscht oder solche Umstände in Kenntnis ihrer Bedeutung verschweigt, die für die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung von Bedeutung sind".[9] Dies dürfte wohl kaum einem Anwalt gelingen.
Eine Festsetzung einer vereinbarten Vergütung gem. § 11 RVG auch nur in gesetzlicher Vergütungshöhe scheidet aus, da nach Auffassung des BGH auch die bei formunwirksamer Vereinbarung geschuldete gesetzliche Vergütung eine vereinbarte Vergütung ist.[10]
Ist die den Formvorschriften nicht entsprechende Vergütungsvereinbarung wirksam, dann sind auch darin enthaltene sonstige Vereinbarungen wie z.B. Haftungsbeschränkungen, Gerichtsstandsvereinbarungen etc. ebenfalls wirksam.
Letztendlich erkennt der BGH einen Erstattungsanspruch des Mandanten für die von ihm aufgewandten Anwaltsgebühren zur Abwehr der Gebührenansprüche aus einer fehlerhaften Vergütungsvereinbarung an.

Es bleiben offene Fragen:

Wie soll im Zweifelsfalle die gesetzliche Gebühr vom Gericht berechnet werden, wenn es sich um eine Rahmengebühr handelt? Soll dann die sogenannte Schwellengebühr mit 1,3 bei 2300 VV gelten oder die vergleichbaren Gebühren bei Nr. 2302 VV? Schon allein deshalb empfiehlt sich für den klagenden oder beklagten Anwalt, spätestens im Prozess eine Ersatzberechnung auf gesetzlicher Gebührenbasis zu erstellen, denn grundsätzlich obliegt ihm die Ermessensausübung i.S.v. § 14 RVG. Ob hier sogar eine sekundäre Darlegungsverpflichtung des Anwalts besteht,[11] mag offen bleiben.
Und wie sieht es mit dem Gebührengutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer bei Rahmengebühren i.S.v. § 14 RVG aus, die das Gericht selber ersatzweise berechnet? § 3a Abs. 2 RVG greift hier nicht.
Zeithonorarabrechnungen stoßen bei Gericht immer wieder auf Probleme und unterfallen teilweise einer kleinkarierten Bewertung.[12] Steht dem Anwalt, der den über der gesetzlichen Vergütung liegenden Zeithonoraraufwand nicht ausreichend belegen kann, zumindest die gesetzliche Vergütung zu?
Hat die Entscheidung des BGH Auswirkungen auf den strafrechtlich relevanten Vorwurf der Gebührenüberhebung bei Abrechnung auf der Basis formunwirksam getroffener Vergütungsvereinbarungen?[13]

Anders als bei Brecht[14] bleiben sowohl viele Fragen als auch der Vorhang offen.

Autor: Von Rechtsanwalt Klaus Winkler, Kenzingen

AGS, S. 370 - 37...

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