Die Erinnerung ist zulässig und vollumfänglich begründet.

Die Kostenberechnung war wie tenoriert abzuändern. Der Landeskassenübergang ist auf der Grundlage folgender Berechnung zu bewirken:

 
Praxis-Beispiel
 
Verfahrensgebühr, Nrn. 3102, 1008 VV 390,00 EUR
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV 300,00 EUR
Kommunikationspauschale, Nr. 7002 VV  20,00 EUR
Betrag: 710,00 EUR
Davon 3/4: 532,50 EUR
Anrechnung Vorverfahrenskosten: – 130,00 EUR
  402,50 EUR
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV – 76,48 EUR
Gesamt 478,98 EUR

Zwischen den hiesigen Beteiligten besteht zutreffend kein Streit über den Nichtanfall einer Terminsgebühr. Ein Termin hat nicht stattgefunden. Auch ist keine fiktive Terminsgebühr entstanden, insbesondere haben die Beteiligten des Klageverfahrens keinen schriftlichen Vergleich geschlossen. Die Gebühr nach Nr. 3106 Nr. 1 VV entsteht nur, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlossen wurde. Dies erfordert nach der einheitlichen Rspr. der Berliner Kostenkammern, dass ein förmlicher Beschluss ergangen ist, sei es nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG oder auch § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO.

Zutreffend ist ferner die Höhe der Verfahrensgebühr in Höhe einer Mittelgebühr der Nr. 3102 VV zuzüglich der Rahmenerhöhung um 30 % nach Nr. 1008 VV wegen der Vertretung von zwei Klägern unstreitig. Diese Gebühr erweist sich nicht als unbillig i.S.v. § 14 Abs. 1 RVG. Die Einigungsgebühr folgt der Verfahrensgebühr (ohne Rahmenerhöhung) der Höhe nach aufgrund der gesetzlichen Regelung in Nr. 1006 VV.

Problematisch ist allerdings die Errechnung des Anrechnungsbetrags. Nach der Vorbem. 3 Abs. 4 VV ist die Geschäftsgebühr, soweit diese wegen desselben Gegenstandes entsteht, zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Bei Betragsrahmengebühren ist die Anrechnung begrenzt auf den Höchstbetrag von 175,00 EUR. Aus § 15a Abs. 1 RVG folgt, dass dem Rechtsanwalt grundsätzlich sowohl die Verfahrens- als auch die Geschäftsgebühr in voller Höhe zusteht, er jedoch insgesamt nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag reduzierten Betrag fordern kann. Ihm steht insoweit – jedenfalls im Verhältnis zum Mandanten – ein Wahlrecht zu, auf welche der Gebühren die Anrechnung erfolgt (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks 16/12717, 68)

Die Anrechnung betrifft grundsätzlich das Rechtsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant, ein Dritter kann sich nur in den Fällen des § 15a Abs. 2 RVG auf die Anrechnung berufen. Der Gesetzgeber sieht dies ausdrücklich nur in drei Fallkonstellationen vor: Soweit der Dritte den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

Da die Staatskasse nicht Dritter i.S.v. § 15a Abs. 2 RVG ist, kann sie nach Auffassung von Teilen der Rspr. sich auf die Anrechnung nur berufen, wenn die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren auch tatsächlich gezahlt worden ist (so z.B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.5.2013 – 18 W 68/13 [= AGS 2013, 531]; OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.7.2011 – 6 W 55/10 [= AGS 2011, 549]; FG Düsseldorf, Beschl. v. 24.8.2012 – 3 Ko 4024/11 KF; Fundstellen juris). Dies wird auch von den LSG im Rahmen der Vergütungsfestsetzung im sozialgerichtlichen Verfahren, auf die § 15a RVG seit dem 1.8.2013 Anwendung findet, so vertreten, vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 3.2.2015 – L 2 AS 605/14 B [= AGS 2015, 206]; LSG Bayern, Beschl. v. 2.12.2015 – L 15 SF 133/15; LSG NRW, Beschl. v. 4.1.2016 – L 10 SB 57/15 B; Fundstellen juris.

Vorliegend hat die Bevollmächtigte der Kläger die Hälfte des gegenüber dem Erinnerungsführer geltend gemachten und von ihm gezahlten Kostenanteils der Geschäftsgebühr für das Vorverfahren (130,00 EUR) auf die Verfahrensgebühr angerechnet. Zugleich hat sie im Vergütungsfestsetzungsantrag mitgeteilt, dass sie (weitere) Zahlungen nicht erhalten und Gebühren für Beratungshilfe nicht vereinnahmt habe.

Ob diese Erklärung ausreichend i.S.v. § 55 Abs. 5 S. 3 RVG ist, mithin Auskunft darüber gibt, welche Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr die Rechtsanwältin erhalten hat, kann dahinstehen. Die Kostenfestsetzung für die Vorverfahrenskosten wurde im Namen der Kläger beantragt, wie sich aus dem Zusatz "Die Antragsteller sind nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt" ersehen lässt. Der Erhalt weitergehender Zahlungen als von der Bevollmächtigten angegeben ist hier nicht ersichtlich.

Der Erinnerungsführer, der tatsächlich 260,00 EUR (anteilig) auf die Geschäftsgebühr gezahlt hat, kann sich auf die Anrechnung nach § 15a Abs. 2 RVG in der ersten Alternative berufen. Macht der Kläger/Rechtsanwalt gegen den (ggf. anteilig erstattungsfähigen) Verfahrensgegner hingegen (noch) keine Vorverfahrenskosten geltend, ist nichts anzurechnen. Eine fiktive Anrechnung hat zu unterbleiben. Zahlungsansprüche gegen den erstattungspflichtigen Dritten muss weder der Kläger noch der Rechtsanwalt geltend machen, auch nicht im Falle von Prozesskostenhilfe.

Auch die dritte Alternative des § 15a Abs. 2 RVG ist hier erfüllt...

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