Bei Anrechnung der Beratungshilfe-Geschäftsgebühr findet § 58 Abs. 2 RVG keine Anwendung. Die Beratungshilfe-Geschäftsgebühr ist vielmehr stets hälftig auf die nachfolgende PKH-/VKH-Vergütung anzurechnen, unabhängig davon, ob noch eine nicht gedeckte Wahlanwaltsvergütung verbleibt.[1]

 

Beispiel

Der Anwalt wird für den Auftraggeber wegen einer Forderung i.H.v.6.000,00 EUR im Rahmen der Beratungshilfe tätig. Anschließend wird er im gerichtlichen Verfahren beauftragt und im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet.

Im Rahmen der Beratungshilfe hat der Anwalt zunächst erhalten:

I. Außergerichtliche Vertretung

 
1. Geschäftsgebühr, Nr. 2503 VV   85,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   17,00 EUR
  Zwischensumme 102,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   19,38 EUR
Gesamt   121,38 EUR

Im gerichtlichen Verfahren sind die Gebühren aus 6.000,00 EUR entstanden, und zwar nach der Tabelle des § 49 RVG. Obwohl sich schon bei der Verfahrensgebühr eine Differenz zwischen dem Wahlanwaltsbetrag nach § 13 RVG und dem VKH-Betrag nach § 49 RVG i.H.v. (460,20 EUR – 347,10 EUR =) 113,10 EUR ergibt, ist die Geschäftsgebühr nicht in analoger Anwendung des § 58 Abs. 2 RVG auf diesen Differenzbetrag zu verrechnen, so dass nichts mehr anzurechnen gewesen wäre. Vielmehr ist die Beratungshilfe-Geschäftsgebühr gem. Anm. Abs. 2 S. 1 zu Nr. 2503 VV zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, also i.H.v. 42,50 EUR.

 
Praxis-Beispiel

II. Gerichtliche Vertretung (Wert: 6.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV     347,10 EUR
2. gem. Anm. Abs. 2. S. 1 zu Nr. 2503 VV   – 42,50 EUR  
  anzurechnen      
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV      320,40 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV      20,00 EUR
  Zwischensumme 645,00 EUR     
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV      122,55 EUR
Gesamt      767,55 EUR

Anders verhält es sich bei der Anrechnung der Wahlanwaltsgeschäftsgebühr der Nr. 2300 VV. Hier ist § 58 Abs. 2 RVG zu beachten.[2]

 

Beispiel

Der Anwalt wird für die Ehefrau wegen einer Zugewinnausgleichsforderung i.H.v. 10.000,00 EUR als Wahlanwalt tätig. Beratungshilfe war nicht beantragt worden. Angemessen dafür war wiederum eine 1,5-Geschäftsgebühr, die die Mandantin gezahlt hat:

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   837,00 EUR
  (Wert: 10.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 857,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   162,83 EUR
Gesamt   1.019,83 EUR

Hiernach wird der Anwalt im gerichtlichen Verfahren tätig. Der Ehefrau wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet.

Jetzt ist die Zahlung, die der Anwalt von der bedürftigen Partei auf die Geschäftsgebühr erhalten hat, im Rahmen des § 58 Abs. 2 RVG zu berücksichtigen. Und zwar ist der nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr jetzt zunächst auf die nicht gedeckten Wahlanwaltsgebühren des § 13 RVG anzurechnen und erst hiernach auf die VKH-Vergütung des § 49 RVG.

Dies ergibt folgende Berechnung:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrengsgebühr, Nr. 3100 VV,   399,10 EUR
  § 49 RVG (Wert: 10.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV,   368,40 EUR
  § 49 RVG (Wert: 10.000,00 EUR)    
3. anrechnungsfähig nach    
  Vorbem. 3 IV VV: 0,75 aus    
  10.000,00 EUR nach § 13 RVG – 418,50 EUR  
  davon nach § 58 Abs. 2 RVG    
  anrechnungsfrei    
  (725,40 EUR – 399,10 EUR    
  + 669,60 EUR – 368,40 EUR) 627,50 EUR  
      – 0,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 787,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   149,63 EUR
Gesamt   937,13 EUR

Norbert Schneider

AGS 7/2017, S. 352 - 353

[1] So bereits zur BRAGO: LG Berlin AnwBl. 1983, 478.
[2] OLG München AGS 2010, 63 = Rpfleger 2010, 273 = JurBüro 2010, 193-194 = FamRZ 2010, 923 = RVGreport 2010, 62; OLG Oldenburg AGS 2011, 611 = NdsRpfl 2012, 39 = FamRZ 2012, 244; OLG Zweibrücken AGS 2010, 329 = zfs 2010, 518 = FamRZ 2011, 138 = RVGreport 2010, 297 = FamRB 2010, 271 = RVGprof. 2011, 10; OLG Brandenburg MDR 2011, 1206 = JurBüro 2011, 580 = AGS 2011, 549 = Rpfleger 2012, 89 = RVGreport 2011, 376; OLG Braunschweig FamRZ 2011, 1683 = RVGreport 2011, 254 = RVGprof. 2011, 151 = NJW-Spezial 2011, 635; OLG Frankfurt NJW-RR 2013, 319 = AG kompakt 2012, 126; OLG Koblenz AGS 2013, 75 = JurBüro 2013, 186.

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