RVG VV Nr. 4141

Leitsatz

Die zusätzliche Gebühr entsteht, wenn der Verteidiger dem Beschuldigten rät, keine Einlassung abzugeben und daraufhin das Verfahren mangels Tatverdacht eingestellt wird. Ob des Verfahren ohnehin eingestellt worden wäre, ist unerheblich.

AG Leipzig, Beschl. v. 11.10.2017 – 200 Ds 805 Js 50086/15 (2)

1 Sachverhalt

Der dem Beschuldigten beigeordnete Rechtsanwalt hatte dem Beschuldigten geraten, zur Sache keine Angaben zu machen. Das Verfahren wurde später eingestellt.

Der beigeordnete Anwalt beantragte daraufhin, seine Vergütung und Auslagen i.H.v. 531,95 EUR zzgl. 19 % Mehrwertsteuer i.H.v. 101,07 EUR, insgesamt 633,02 EUR, festzusetzen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat nach Anhörung des Vertreters der Staatskasse die an den Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 475,94 EUR festgesetzt. Die Entscheidung erfolgte bis auf die i.H.v. 132,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer geltend gemachte Verfahrensgebühr Nr. 4141 RVG antragsgemäß.

Hiergegen richtet sich die Erinnerung des beigeordneten Anwalts, der der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat.

2 Aus den Gründen

Der Urkundsbeamte hat in seinem Vergütungsfestsetzungsbeschluss zu Unrecht die Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV abgesetzt, weil sich weder aus dem Antrag des Erinnerungsführers noch dem Inbegriff der Aktenlage eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete anwaltliche Tätigkeit ergab, die als solche geeignet ist, das Verfahren in formeller, materiell-rechtlicher und prozessualer Hinsicht im Hinblick auf eine Erledigung zu fördern.

Der Erinnerungsführer hat in seinem Erinnerungsschreiben ausgeführt, dass allein in dem Rat des Rechtsanwaltes, keine Einlassung abzugeben und vom Schweigerecht Gebrauch zu machen, schon eine hinreichende Mitwirkung bestehe.

Dem ist zu entnehmen, dass der Erinnerungsführer seinen Mandanten geraten hat, keine Einlassung abzugeben und von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen.

Eine Mitwirkung i.S.d. Vorschrift ist nach h.M. auch der Rat des Rechtsanwaltes an den Mandanten, sich auf das Aussageverweigerungsrecht zu berufen; sog. "gezieltes Schweigen". Berät der Rechtsanwalt nämlich seinen Auftraggeber in diese Richtung und wird, weil ggfs. das einzige Beweismittel verlorengeht, darauf das Verfahren eingestellt, hat der Verteidiger an der Einstellung mitgewirkt. Der Rechtsanwalt sollte aber klar und deutlich zu erkennen geben, dass sich der Mandant auf sein Aussageverweigerungsrecht beruft (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Rn 9 zu VV 4141).

Der Auffassung des BGH, dass eine zusätzliche Gebühr durch den Rat zum Schweigen nicht entstehen solle, wenn unabhängig von der Einlassung des Beschuldigten offenkundig sei, dass dieser die ihm vorgeworfene Tat begangen haben könne, und dass der Gebührenschuldner hierfür die Beweislast trage (vgl. Gerold/Schmidt, a.a.O.), wird in der Lit. und durch die anerkannte Rspr. nicht beigetreten.

Dem schließt sich das Gericht nach eigener sorgfältiger Prüfung an.

Nachdem die durch den Urkundsbeamten im Übrigen festgesetzte Vergütung nicht zu beanstanden ist, war die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf weitere 132,00 EUR zzgl. 19 % Mehrwertsteuer, insgesamt 157,08 EUR, festzusetzen.

3 Anmerkung

Die Entscheidung ist in jeder Hinsicht zutreffend.

Zum einen reicht es als anwaltliche Mitwirkung aus, wenn der Verteidiger dem Beschuldigten rät, sich auf ein Aussageverweigerungsrecht zu berufen.

Zum anderen kann es nicht darauf ankommen, ob "sowieso" eingestellt worden wäre. Darauf kommt es auch in anderen Fällen nicht an. So kann einem Verteidiger, der eine umfangreiche und ausführliche Einlassung abgibt, im Falle einer Einstellung wegen Verjährung auch nicht entgegengehalten werden, es wäre auch ohne seine Einlassung "sowieso" eingestellt worden.

Norbert Schneider

AGS 5/2018, S. 217 - 218

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