Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das OLG hat seine in MDR 2017, 300 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

Bei den der Beklagten durch Stellung des Sachantrags auf Zurückweisung der Berufung entstandenen Rechtsanwaltskosten handele es sich um notwendige Aufwendungen i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Soweit nach der Rechtsprechung des BGH im Rahmen der Prüfung der Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten allein auf die objektive Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei abgestellt werde, die das Gebot sparsamer Prozessführung im Blick habe, sei dies nicht damit zu vereinbaren, dass es auf die Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme nicht ankommen solle. Denn die Kenntnis von dem Fortbestehen des Rechtsmittels sei dafür entscheidend, welche Maßnahmen die Partei für sachdienlich zu halten habe. Da die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei einen Rechtsanwalt beauftragen dürfe und die entstandenen Kosten im Falle ihres Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen könne, müssten diese Kosten im Grundsatz auch erstattungsfähig sein. Es erscheine nicht gerechtfertigt, der Partei das volle Kostenrisiko auch für den Fall aufzuerlegen, dass das Rechtsmittel – zu einem von ihr nicht beeinflussbaren Zeitpunkt – zurückgenommen werde.

Die Ungewissheit, ob ein Rechtsmittel eventuell bereits zurückgenommen sei, könne im Hinblick auf noch im Geschäftsgang befindliche oder erst in Kürze eingehende Rücknahmeschriftsätze durch einen Anruf bei der Geschäftsstelle des Gerichts nicht zuverlässig beseitigt werden. Es erscheine auch nicht zumutbar, der mit einem Rechtsmittel überzogenen Partei die Pflicht aufzuerlegen, sich vor der Fertigung eines Erwiderungsschriftsatzes bei dem Rechtsmittelführer oder dessen Prozessbevollmächtigten zu erkundigen, ob das Rechtsmittel zurückgenommen sei. Dies gelte umso mehr, als es der Rechtsmittelführer selbst in der Hand habe, dem Gegner oder dessen Anwalt die Rücknahme des Rechtsmittels frühzeitig mitzuteilen. Die Rechtsprechung des BGH sei auch nicht mit den Besonderheiten des Kostenfestsetzungsverfahrens zu rechtfertigen, da es sich bei der Feststellung, wann der Rechtsmittelgegner Kenntnis von der Rücknahme des Rechtsmittels erlangt hat, nicht um eine schwierige, für das auf die formale Prüfung von Kostentatbeständen zugeschnittene Kostenfestsetzungsverfahren ungeeignete Rechtsfrage handele.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Das OLG hat die der Berufungsbeklagten durch den Antrag auf Zurückweisung der bereits begründeten Berufung entstandenen Kosten trotz der zuvor erfolgten Berufungsrücknahme zutreffend als erstattungsfähig im Sinne von § 91 ZPO angesehen.

1. Für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der Berufungsinstanz ist eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV angefallen, was – letztlich zu Recht – weder das OLG noch die Rechtsbeschwerde in Zweifel ziehen. Die Verfahrensgebühr ist nicht nach Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 VV wegen vorzeitiger Beendigung des Auftrags auf 1,1 ermäßigt. Hierfür hätte der Auftrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten endigen müssen, bevor sie ihren den Sachantrag enthaltenden Schriftsatz eingereicht hatte. Das ist jedoch vorliegend nicht der Fall.

a) Der Auftrag konnte in zeitlicher Hinsicht nicht endigen, bevor die Beklagtenvertreterin die Möglichkeit hatte, von der Berufungsrücknahme Kenntnis zu erlangen (vgl. BAG AGS 2013, 98, 100; Feller, in: Göttlich/Mümmler RVG 6. Aufl., "Verfahrensgebühr" Anm. 4.3; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., VV 3101 Rn 12 m.w.N.; Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., Nr. 3101 VV Rn 8). Nach den Feststellungen des OLG war dies der 22.8.2016, an dem der Beklagtenvertreterin die Berufungsrücknahme mit dem Kostenbeschluss des OLG zugestellt worden ist. Nicht festgestellt ist hingegen die Uhrzeit dieser Zustellung sowie die Uhrzeit, zu der – ebenfalls am 22.8.2016 – der Schriftsatz der Beklagtenvertreterin bei Gericht eingegangen ist. Mithin ist möglich, dass dieser Eingang zeitlich nach der Zustellung erfolgt ist.

b) Das kann hier jedoch dahinstehen. Der Ermäßigungstatbestand in Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 VV greift nur ein, wenn der Schriftsatz noch nicht eingereicht im Sinne dieser Bestimmung gewesen wäre. Für ein solches Einreichen ist es aber ausreichend, wenn der Schriftsatz so auf den Weg gebracht wird, dass sein Zugang ausschließlich von der Tätigkeit Dritter, etwa eines Postbeförderungsunternehmens, abhängig ist (vgl. AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, 8. Aufl., VV 3101 Rn 24; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., VV 3101 Rn 13 f.; Mayer, in: Mayer/Kroiß RVG, 7. Aufl., Nr. 3101 VV Rn 12; a.A. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., VV 3101 Rn 17; Hartmann, KostG, 47. Aufl., VV 3101 Rn 12; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, 10. Aufl., VV 3101 Rn 10; Hansens, in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts...

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