RVG VV Nr. 1000; GKG §§ 42 Abs. 2 S. 1, 63 Abs. 3

Leitsatz

  1. Ob Streit oder Ungewissheit über ein anderweitiges Rechtsverhältnis i.S.v. Nr. 1000 VV bestand, über das ein gerichtlicher Vergleich eine Regelung getroffen hat, kann von den Parteien des Vergleichs nicht mit bindender Wirkung für die Streitwertfestsetzung "vereinbart" werden. Dies ist vielmehr für die Streitwertfestsetzung jeweils nach objektiven Maßstäben festzustellen.
  2. Die Gewährung einer Outplacement-Beratung in einem gerichtlichen Vergleich zur Beendigung eines Kündigungsrechtsstreits führt nur dann zu einem Mehrwert des Vergleichs, wenn über einen Rechtsanspruch gerade in Bezug auf die Outplacement-Beratung Streit oder Ungewissheit bestand. Auch in diesem Fall führt die Regelung allerdings nicht zu einem Mehrwert, wenn der Arbeitnehmer anstelle der Outplacement-Beratung den dafür vorgesehenen Betrag beanspruchen kann; in diesem Fall handelt es sich der Sache nach um eine Erhöhung der Abfindung i.S.v. § 42 Abs. 2 S. 1 GKG.
  3. Zur Frage, unter welchen Umständen eine – auch verschlechternde – Änderung der Streitwertfestsetzung von Amts wegen gem. § 63 Abs. 3 GKG auch noch nach Ablauf von sechs Monaten erfolgen kann.

LAG Düsseldorf, Beschl. v. 19.3.2018 – 4 Ta 466/17

1 Sachverhalt

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss des ArbG. Darin hatte das ArbG den Wert für das Kündigungsschutzverfahren im Allgemeinen mit drei Bruttomonatsgehältern a 8.134,24 EUR = 24.402,72 EUR festgesetzt und den Wert des gerichtlichen Vergleichs, der das Verfahren erledigte, mit 95.404,40 EUR (Mehrvergleich: 71.001,68 EUR). Die Beschwerde erstrebt eine Herabsetzung des Vergleichswerts auf 40.671,20 EUR (Mehrvergleich: 16.268,48 EUR). Der Hauptbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt U., ist der Beschwerde entgegengetreten. Das ArbG hat die Abhilfe abgelehnt und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Beschwerdegericht hat darauf hingewiesen, dass nach seiner vorläufigen Einschätzung der Vergleichsmehrwert nur 12.819,56 EUR betrage und dies im Einzelnen begründet.

2 Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Darüber hinaus war der Vergleichswert gem. § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen weiter herabzusetzen auf 37.222,28 EUR.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig.

Die Beschwerde richtet sich nach § 32 RVG i.V.m. § 68 GKG. Das besondere Streitwertfestsetzungsverfahren des § 33 RVG steht ausschließlich dann zur Verfügung, wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder es an einem derartigen Wert fehlt. Vom Fehlen eines für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts im Sinne dieser Bestimmungen kann nur ausgegangen werden, wo die Verfahrensnormen keine Gebührenerhebung vorsehen. Das ist hier nicht der Fall. In dem Kündigungsrechtsstreit werden – anders als im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren i.S.d. §§ 80 ff. ArbGG gem. § 2 Abs. 2 GKG – grds. Gerichtsgebühren ausgelöst. Ob und inwieweit diese infolge des später geschlossenen Prozessvergleichs nicht erhoben werden, ist streitwertrechtlich nicht relevant (so die std. Rspr. Beschwerdekammer, etwa Beschl. v. 22.8.2005 – 17 Ta 477/05; 5.12.2006 – 6 Ta 883/06; ebenso LAG Hamm, 28.4.2006 – 6 Ta 95/06; LAG Baden-Württemberg, 14.7.2011 – 5 Ta 101/11; Creutzfeld, NZA 1996, 956, 961; a.A. etwa Hessisches LAG, 21.1.1999 – 15/6 Ta 630/98; 25.2.2011 – 1 Ta 483/10; LAG Sachsen-Anhalt, 15.3.2004 – 11 Ta 35/04; LAG Hamburg, 9.11.2015 – 6 Ta 22/15 [= AGS 2016, 420]; LAG Rheinland-Pfalz, 4.6.2012 – 1 Ta 104/12; LAG Schleswig-Holstein, 15.12.2011 – 6 Ta 198/11 [= AGS 2012, 487]; Schwab/Maatje, NZA 2011, 769, 771). An dieser Rspr. hält die erkennende Beschwerdekammer fest. Neue Gesichtspunkte sind im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen worden.

Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens ist nicht deshalb entfallen, weil sein Hauptbevollmächtigter, Rechtsanwalt U., dem Rechtsschutzversicherer des Klägers unter dem 29.12.2017 eine im Sinne der Beschwerde geänderte Kostenrechnung "ohne Präjudiz" zugeleitet hat. Die schlichte Vorlage einer abgeänderten Rechnung, noch dazu der Hinweis darauf, dass dies "ohne Präjudiz" erfolge, lässt ein Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Ungeachtet dessen ist der Kläger nach wie vor durch den Beschluss des ArbG formal beschwert. Der Hinweis von Rechtsanwalt U. auf die Entscheidung des OLG Hamburg v. 3.12.1976 (5 W 71/76) geht fehl. Die Entscheidung behandelt die Auslegung von Parteierklärungen als Beschwerdeverzicht. Hierfür besteht im vorliegenden Fall kein Anhaltspunkt.

Der Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR gem. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG ist bei einer Herabsetzung des Vergleichswerts von 95.404,40 EUR auf – wie beantragt – 40.671,20 EUR ohne Weiteres erreicht. Ungeachtet dessen war gem. § 63 Abs. 3 GKG die Festsetzung des Vergleichswerts über das Beschwerdeziel des Klägers hinaus von Amts wegen weiter im Sinne einer Herabs...

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