Leitsatz

  1. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 RVG erfasst die Bewilligung von PKH/VKH auch für den Abschluss eines Mehrvergleichs ohne ausdrückliche dahingehende gerichtliche Anordnung nicht die auf den höheren Vergleichswert entfallende Verfahrensdifferenz- und Terminsgebühr des beigeordneten Rechtsanwalts.
  2. Dem Verfahrensgericht bleibt es allerdings unbenommen, bei Bejahung der entsprechenden Voraussetzungen PKH/VKH-Bewilligung und Anwaltsbeiordnung ausdrücklich auch auf Verfahrens- und Terminsgebühr hinsichtlich der weiteren Gegenstände eines abzuschließenden Mehrvergleichs zu erstrecken.

OLG Celle, Beschl. v. 26.2.2015 – 10 WF 28/15

1 Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin hatte in dem zugrunde liegenden Sorgerechtsverfahren die Kindesmutter vertreten und war dieser im Wege der Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren beigeordnet worden. Im Termin haben die Eltern eine Vereinbarung zum Sorge- und Umgangsrecht geschlossen. Das FamG hat im Anschluss daran den Verfahrenswert auf 3.000,00 EUR und den Wert der Vereinbarung auf 6.000,00 EUR festgesetzt und klargestellt, dass sich die bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf den Abschluss der Vereinbarung erstreckt.

Die Beschwerdeführerin hat sodann folgenden Antrag auf Festsetzung der Vergütung gestellt:

 
Praxis-Beispiel
 
1. Verfahrensgebühr für einen Gegenstandswert von 3.000,00 EUR 261,30 EUR
2. Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV für einen Gegenstandswert von 3.000,00 EUR 166,80 EUR
3. Terminsgebühr für einen Gegenstandswert von 6.000,00 EUR 347,10 EUR
4. Einigungsgebühr für einen Gegenstandswert von 6.000,00 EUR 466,50 EUR
5. Pauschale nach Nr. 7002 VV 20,00 EUR
6. Umsatzsteuer 226,04 EUR
Gesamt 1.415,74 EUR

Das AG hat bei seiner Festsetzungsentscheidung gem. § 55 RVG die Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV abgesetzt. Ferner hat es die zu erstattende Terminsgebühr nach einem Gegenstandswert von 3.000,00 EUR auf 241,20 EUR herabgesetzt und die Umsatzsteuer entsprechend auf 150,01 EUR reduziert, sodass lediglich ein Betrag in Höhe von 939,51 EUR festgesetzt wurde.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat das AG zurückgewiesen. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Beschwerdeführerin ihren ursprünglichen Festsetzungsantrag weiter.

2 Aus den Gründen

Die zulässige, insbesondere gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG statthafte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Familiengericht die geltend gemachte Verfahrensdifferenzgebühr abgesetzt und die Terminsgebühr nur für einen Gegenstandswert von 3.000,00 EUR als erstattungsfähig angesehen. Der Senat hat bereits entschieden, dass der im Rahmen von Verfahrenskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt bei Abschluss eines sog. Mehrvergleichs in der Regel nur die Einigungsgebühr, nicht aber auch die Verfahrens- und die Terminsgebühr auf den erhöhten Gegenstandswert erhält (Beschl. v. 21.1.2011 – 10 WF 6/11, MDR 2011, 324 [= AGS 2011, 551]; v. 12.6.2014 – 10 WF 167/14). Hieran hält der Senat auch nach der zum 1.8.2013 in Kraft getretenen Neuregelung des § 48 Abs. 3 RVG fest.

1. Allgemein gilt, dass sich der Umfang des anwaltlichen Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse gem. § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen bestimmt, durch welche Verfahrenskostenhilfe gewährt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Zugleich regelt § 48 Abs. 5 S. 1 RVG, dass für die mit dem Hauptverfahren zusammenhängenden Angelegenheiten nur insoweit eine Vergütung aus der Staatskasse festgesetzt werden kann, als hierfür ausdrücklich eine Beiordnung erfolgt ist.

Dieser Grundsatz wird durch die Neufassung des § 48 Abs. 3 RVG, welcher durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zum 1.8.2013 eingeführt wurde, durchbrochen. Danach erstreckt sich die Verfahrenskostenhilfe in Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen ohne Weiteres auch auf die nicht von Amts wegen einzuleitenden Folgesachen, wenn und soweit diese mit einem Mehrvergleich erledigt wurden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Druck. 17/11471, S. 270) sollte die Neuregelung klarstellen, dass nicht nur die Einigungsgebühr aus der Staatskasse, sondern alle durch die Einigung und den Abschluss des Vertrags entstehenden Gebühren, also auch die Differenzverfahrens- und die Differenzterminsgebühr aus der Staatskasse zu ersetzen sind.

2. Aus diesen Regelungen lässt sich entnehmen, dass regelmäßig der Umfang der gerichtlichen Verfahrenskostenhilfebewilligung und der Beiordnung entscheidend für den Kostenerstattungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse ist, wenn in einem Verfahren ein Mehrvergleich abgeschlossen wird. Sofern sich diese Beschlüsse nicht auf die nicht anhängigen, aber mitgeregelten Angelegenheiten erstrecken, besteht der Kostenerstattungsanspruch – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 RVG – nur für die Gebühren nach dem Wert der anhängigen Angelegenheit.

Dieses Regel-Ausnahmeverhältnis in § 48 RVG spricht dagegen, davon auszugehen, dass die Rechtsfolge nach Abs. 3 der Vorschrift auch außerhalb der dort genannten Angelegenheiten gelten soll (OLG Koblenz NJW-RR 2015, 61 [= AG...

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