Im zu beurteilenden Fall begehrt der Anwalt als anwaltlicher Verfahrenspfleger für die Prüfung von Mietverträgen im Rahmen seines Aufgabenkreises als Vertretung im Betreuungsverfahren die Festsetzung einer 1,8-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV, berechnet aus einem Wert in Höhe von 30.000.000 EUR gem. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 KostO. Der BGH hatte im Rechtsbeschwerdeverfahren zu klären:

  ob der anwaltliche Verfahrenspfleger Tätigkeiten, die er als Rechtsanwalt erbringt, nach dem RVG abrechnen darf, und bei Bejahung dieser Frage,
  nach welchem Wert solche Tätigkeiten (hier: Prüfung von Mietverträgen) abzurechnen sind.

Der BGH entschied die Frage zugunsten des die Vergütung beantragenden Anwalts.

Da der anwaltliche Verfahrenspfleger vorliegend mit der Überprüfung mehrerer Mietverträge befasst war, entsteht hierfür eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV, die einen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 vorsieht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach der Vorbem. 2.3 VV die Geschäftsgebühr unter anderem auch die Mitwirkung bei der Gestaltung von Verträgen, wozu auch die Überprüfung eines Vertrags zählt, umfasst.

Die Bedeutung des betreffenden Falls liegt für Rechtsanwälte vor allem darin, dass der BGH Grundsätze der Wertermittlung bei den anwaltlichen Wertgebühren anspricht. Diese werden bei der anwaltlichen Gebührenabrechnung regelmäßig nicht beachtet, sodass mitunter erhebliche Gebührenverluste hingenommen werden!

Um zu einem richtigen Gegenstandswert zu gelangen, ist es zunächst von grundlegender Bedeutung, ob sich die anwaltliche Tätigkeit auf ein gerichtliches oder außergerichtliches Verfahren erstreckt. Ausgangspunkt ist hierbei § 23 Abs. 1 S. 1, 2 bzw. Abs. 3 RVG.

I. Vorhandensein von Regelungen für Gerichtsgebühren

Wird ein Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, richtet sich der Gegenstandswert grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften (§ 23 Abs. 1 RVG). Unter dem Begriff "gerichtliches Verfahren" versteht man alle vor einem Gericht anhängigen Verfahren, die unterschiedliche Bestimmungen bzgl. der zu berechnenden Gerichtsgebühren haben können. Wenn also ein Gesetz für ein gerichtliches Verfahren Wertvorschriften zur Berechnung der Gerichtskosten benennt, so sind diese Wertvorschriften auch für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren heranzuziehen. Solche Wertvorschriften finden sich u.a. für

  Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten in den §§ 3953 GKG, §§ 3357 FamGKG, hilfsweise §§ 39 ZPO,
  Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in den §§ 35 ff. GNotKG,
  Landwirtschaftssachen in §§ 34 Abs. 2, 35 ff. LandwVerfG,
  Verfahren vor Verfassungsgerichten, EUGH in §§ 37 ff. RVG,
  Verfahren vor Verwaltungs-, Finanz-, Sozialgerichten in § 52 GKG.
 

Beispiel

Der Rechtsanwalt beantragt auftragsgemäß, den Gegner zur Zahlung von monatlichem Ehegattenunterhalt von 500,00 EUR zu verpflichten. Da der Gegner nicht zum Verhandlungstermin erscheint, ergeht antragsgemäß eine Versäumnisentscheidung.

Vorliegend ist ein gerichtliches Verfahren gegeben, so dass nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG eine Vorschrift zu suchen ist, welche zur Berechnung der Gerichtsgebühr herangezogen werden kann. Nach § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG ist bei wiederkehrenden Leistungen wegen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht der für die ersten zwölf Monate nach Antragseinreichung geforderte Betrag, höchstens der geforderte Betrag, maßgeblich. Somit errechnet sich ein Wert von 500,00 EUR x 12, mithin 6.000,00 EUR.

 

Beispiel

Der Rechtsanwalt erhebt Klage auf Kündigungsschutz vor dem Arbeitsgericht. Nach Abschluss eines Vergleichs im Sühnetermin setzt das Gericht den Streitwert, ausgehend von einem monatlichen Bruttoeinkommen des Klägers von 3.000,00 EUR, auf 9.000,00 EUR fest.

Es liegt ein Gerichtsverfahren vor: Somit ist § 23 Abs. 1 S. 1 RVG einschlägig. Über diese Regelung gelangt man zu § 42 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 GKG, der besagt, dass bei einer Kündigungsschutzklage der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden (Brutto-)Arbeitsentgelts für die Wertermittlung maßgeblich ist. Somit ergibt sich ein Wert von 3.000,00 EUR x 3 = 9.000,00 EUR.

 

Beispiel

Der Rechtsanwalt beantragt isoliert für seine Mandantin die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter. Gleichzeitig beantragt er, hierüber zunächst im Wege einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden. Das Gericht überträgt zunächst im Wege einer einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge auf die Kindesmutter. Im Rahmen der Hauptsache bleibt nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss die einstweilige Anordnung aufrechterhalten. Das Gericht setzt den Wert der Hauptsache mit 3.000,00 EUR, den der einstweiligen Anordnung mit 1.500,00 EUR fest. Ausgehend von dem dargestellten Prüfungsschema ergibt sich folgende Ermittlung:

Hauptsache: Es liegt ein Gerichtsverfahren vor: Somit ist § 23 Abs. 1 S. 1 RVG einschlägig.

Über diese Regelung gelangt man zu § 45 Abs. 1 FamGKG, der bei solchen Kindschaftssachen von einem Regelwert von 3.000,00 EUR ausgeht.

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