Gem. Art. 267 AEUV ist unter Aussetzung des Revisionsverfahrens eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen, weil die Entscheidung des Senats über die Revision der Klägerin von der Beantwortung der an den Gerichtshof gestellten Frage zur Auslegung von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl EU Nr. L 48 S. 1; künftig: Zahlungsverzugsrichtlinie) abhängt.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Pauschale von 40,00 EUR gem. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB sei nach § 288 Abs. 5 S. 3 BGB auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten anzurechnen. Dies sei mit der Zahlungsverzugsrichtlinie vereinbar. Die Anrechnung der Pauschale trage zwar den Erwägungsgründen 19 und 20 der Richtlinie keine Rechnung, stehe jedoch in Einklang mit deren Art. 6 Abs. 3. Da nach dieser Bestimmung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nur insoweit geltend gemacht werden könnten, als sie die Pauschale von 40,00 EUR überschritten, sei letztere auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten anzurechnen.

2. Ob dies der rechtlichen Nachprüfung standhält, hängt von der Beantwortung der dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegten Frage ab.

a) Amts- und LG sind davon ausgegangen, dass die Klägerin von der Beklagten gem. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB Zahlung einer Pauschale von 40,00 EUR verlangen kann und dem Grunde nach auch einen Anspruch gem. § 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 286 Abs. 1 S. 1 BGB auf Ersatz der ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten hat. Dies ist nicht zu beanstanden.

b) Damit kommt es für die Begründetheit des im Revisionsverfahren von der Klägerin – über die von den Vorinstanzen zugesprochenen Beträge hinaus – geltend gemachten Anspruchs i.H.v. 40,00 EUR darauf an, ob die der Klägerin gem. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB zustehende Pauschale von 40,00 EUR auf die ihr bei der Rechtsverfolgung vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten von 72,00 EUR anzurechnen ist oder zusätzlich hierzu geschuldet ist. Eine solche Anrechnung dürfte aus § 288 Abs. 5 S. 3 BGB folgen (nachfolgend zu aa), so dass sich im Hinblick auf eine richtlinienkonforme Auslegung der Norm die Frage stellt, ob sie in diesem Verständnis mit Art. 6 Abs. 3 der Zahlungsverzugsrichtlinie vereinbar ist (nachfolgend zu bb).

aa) Nach Auffassung des Senats ist die der Klägerin gem. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB zustehende Pauschale von 40,00 EUR nach § 288 Abs. 5 S. 3 BGB auf die ihr bei der Verfolgung ihres Anspruchs gegen die Beklagte vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten von 72 EUR anzurechnen.

(1) Nach dem Wortlaut von § 288 Abs. 5 S. 3 BGB ist die Pauschale nach § 288 Abs. 5 S. 1 BGB auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. Kosten, die dem Gläubiger durch die nach Eintritt des Verzugs erfolgte Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Forderungsdurchsetzung entstehen, sind nach deutschem Recht ein in Kosten der Rechtsverfolgung begründeter Schaden, dessen Ersatz der Gläubiger gem. § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB verlangen kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile v. 17.9.2015 – IX ZR 280/14, NJW 2015, 3793 Rn 7 ff. m.w.N. u. v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 351 ff.). Unter Zugrundelegung allein des nationalen Verständnisses des Begriffs der Rechtsverfolgungskosten ist die Pauschale i.S.v. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB daher auf Rechtsanwaltskosten anzurechnen, die – wie vorliegend – in Verfolgung eines Anspruchs des Gläubigers gegen einen in Zahlungsverzug befindlichen Schuldner entstanden und dem Gläubiger zu ersetzen sind (MüKo-BGB/Ernst, 7. Aufl., § 288 Rn 33; Löwisch/Feldmann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 288 Rn 40.2; Erman/Hager, BGB, 15. Aufl., § 288 Rn 21; NKBGB/Schulte-Nölke, 3. Aufl., § 288 Rn 20; Weller/Harms, WM 2012, 2305, 2312; Seggewiße/Weber, MDR 2016, 250; Verse, ZIP 2014, 1809, 1816; Stöber/Petanidis, AGS 2017, 1, 4).

(2) Es spricht einiges dafür, dass dieser Norminhalt dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

Die vorgenannte Bestimmung wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes v. 22.7.2014 § 288 BGB angefügt (BGBl I, 1218). Sie beruht auf einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks 18/1309, 6).

Zu einem in Bezug auf § 288 Abs. 5 S. 3 BGB identischen, indes der Diskontinuität anheimgefallenen Entwurf der Bundesregierung hatte der Bundesrat in der vorhergehenden Wahlperiode um Prüfung gebeten, ob eine Anrechnung der Pauschale in § 288 Abs. 5 S. 3 BGB lediglich auf beim Gläubiger intern anfallende Kosten erfolgen solle (BT-Drucks 17/10491, 18). Gegen diesen Vorschlag machte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung Bedenken geltend (BT-Drucks 17/10491, 19).

In dem sodann in der 18. Wahlperiode Gesetz gewordenen Entwurf der Bundesregierung findet sich die Bestimmung des § 288 Abs. 5 S. 3 BGB im Verhältnis zum Vorgängerentwurf zwar unverändert wieder. ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge