Die Erinnerung ist zulässig und in dem tenorierten Umfang auch begründet. Der Erinnerungsführer hat nach §§ 47, 55 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 4102, 4103 VV einen Anspruch auf die Festsetzung einer Terminsgebühr i.H.v. 166,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer für die Teilnahme an der Exploration des Freigesprochenen durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen.

1. Vorliegend war die Kammer zur Entscheidung über die Erinnerung gegen den angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss berufen, so dass ihr die Entscheidung über die Kostenerinnerung zu übertragen war. Zwar liegt die diesbezügliche Entscheidungsbefugnis grundsätzlich beim Einzelrichter (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 RVG). Anders ist dies aber nach § 33 Abs. 8 S. 2 RVG, wenn die Sache eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

Dies ist vorliegend der Fall, denn die zentrale Rechtsfrage, ob die Teilnahme eines Pflichtverteidigers an der Exploration eines Angeklagten durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen gesondert zu vergüten ist, wird in Lit. und Rspr. uneinheitlich beantwortet. Während einerseits davon ausgegangen wird, dass die in Nr. 4102 VV aufgezählten Fälle der Vergütung von außergerichtlichen Terminsteilnahmen des Rechtsanwalts abschließend seien und sich eine analoge Anwendung verbiete (u.a. LG Zweibrü cken, Beschl. v. 29.6.2012 – Qs 56/12, BeckRS 2012, 17846; LG Düsseldorf, Beschl. v. 2.11.2009 – 10 Qs 69/09, BeckRS 2011, 02605; Kotz, in: Beck'scher Online-Kommentar RVG, 33. Edition, VV 4102 Rn 12; Burhoff, in: Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2012, Nr. 4102 VV, Rn 45), halten andere eine analoge Anwendung der betreffenden Vergütungsvorschrift in einem Fall wie dem vorliegenden für möglich (u.a. LG Offenburg, Beschl. v. 31.5.2006 – 1 KLs 16 Js 10008/05, NStZ-RR 2006 358, 359; LG Braunschweig, Beschl. v. 6.5.2011 – 7 Qs 83/11, BeckRS 2011, 24885; LG Freiburg, Beschl. v. 4.7.2014 – 3 KLs 250 Js 24324/12 u.a., juris). Soweit ersichtlich existiert eine einheitliche obergerichtliche Rspr. zu dieser Frage nicht, so dass die Voraussetzungen einer Entscheidung durch die Kammer an der Stelle des Einzelrichters nach § 33 Abs. 8 S. 2 RVG vorliegen.

2. Die Kostenerinnerung ist auch zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Zulässigkeit der Kostenerinnerung steht auch nicht die nach deren Einlegung eingetretene Rechtskraft der Hauptsache entgegen. Denn auch wenn Gegenstand der Kostenerinnerung die Festsetzung eines Vorschusses nach § 47 RVG ist, bleibt die Beschwer des Erinnerungsführers auch nach zwischenzeitlich eingetretener Rechtskraft und der Möglichkeit einer endgültigen Kostenfestsetzung bestehen. Denn die Entscheidung über die Gewährung und die Höhe eines Kostenvorschusses nach § 47 RVG ist keine vorläufige, sondern steht vielmehr einer Zwischenentscheidung über die Kostenfestsetzung gleich, die nach Abschluss des Verfahrens nicht mehr überprüft wird. Der Vorschussanspruch besteht auf alle bereits entstandenen Gebühren; nur die Fälligkeit der Gebühr nach § 8 RVG muss nicht eingetreten sein (vgl. Sommerfeldt, in: Beck'scher Online-Kommentar RVG, 33. Edition, § 47 Rn 2). Der Rechtsanwalt kann mithin die Gebühren nach deren Entstehung unter Berufung auf § 47 RVG auch während des laufenden Verfahrens geltend machen und tut dies in der Regel auch. Über die dann im Vorschussverfahren bereits festgesetzten Gebühren wird nach Rechtskraft der Entscheidung nicht erneut entschieden. Die Schlussrechnung eines Rechtsanwalts bezieht sich in der Regel auf die Gebühren, welche nach der letzten Vorschussfestsetzung bis zum Eintritt der Rechtskraft noch entstanden sind. Mithin ist über die Frage der Gewährung einer Terminsgebühr nach Nr. 4102, 4103 VV im Rahmen der endgültigen Kostenfestsetzung nicht erneut zu entscheiden, so dass das Rechtsschutzbedürfnis für diese Kostenerinnerung weiterhin vorliegt.

3. Die Erinnerung hat auch in der Sache Erfolg. Dem Erinnerungsführer steht für die Teilnahme an der Exploration des zum damaligen Zeitpunkt inhaftierten Freigesprochenen durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen eine Terminsgebühr nach Nrn. 4102, 4103 VV i.H.v. 166,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer zu.

Zwar sieht Nr. 4102 VV dem Wortlaut nach die Entstehung einer Terminsgebühr für die Teilnahme des Verteidigers an einem von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termin nicht vor. Vergütet werden nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur die Teilnahme an richterlichen Vernehmungen und Augenscheinseinnahmen, Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft oder eine andere Strafverfolgungsbehörde, an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird, an Verhandlungen im Rahmen des Täter-Opfers-Ausgleichs sowie Sühneterminen nach § 380 der Strafprozessordnung (StPO). Dennoch geht die Kammer davon aus, dass die Vergütungsvorschrift auch im vorliegenden Fall entsprechende Anwendun...

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