Die gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

Das Beschwerdegericht hat einen Anspruch der Antragsgegnerin auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV zu Unrecht bejaht.

1. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Beschwerdegericht ausgeführt, mit Einreichung des Schriftsatzes v. 16.3.2016 sei für die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin die volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV angefallen. Wie sich aus Nr. 3201 Nr. 1 VV ergebe, erhalte der Rechtsanwalt die volle Verfahrensgebühr, wenn er einen Schriftsatz einreiche, der einen Sachantrag oder Sachvortrag enthalte. Die den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zustehende 1,6-fache Verfahrensgebühr sei auch erstattungsfähig. Dass der Antragsteller seine Berufung ebenfalls am 16.3.2016 und vor Einreichung der Berufungserwiderung zurückgenommen habe, stehe dem nicht entgegen. Von der Rücknahme des Rechtsmittels habe die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Antrags keine Kenntnis gehabt. Nach der Rspr. des Beschwerdegerichts und anderer Oberlandesgerichte seien die Kosten des Rechtsmittelgegners auch dann erstattungsfähig, wenn weder ihm noch seinem Prozessbevollmächtigten im Zeitpunkt der die Gebühr auslösenden Tätigkeit die Rücknahme des Rechtsmittels bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die vom LG antragsgemäß festgesetzte 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV gehört nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Gegners i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, da der Antrag auf Zurückweisung der Berufung erst nach Rücknahme des Rechtsmittels eingegangen ist.

aa) Nach dieser Vorschrift hat die unterliegende Partei oder im Fall der Berufungsrücknahme der Berufungskläger (§ 516 Abs. 3 ZPO) dem Gegner die diesem erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist (BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – III ZB 63/05, BGHZ 166, 117 Rn 20 [= AGS 2006, 516]; Beschl. v. 30.7.2014 – XI ZB 21/13, JurBüro 2015, 90 Rn 10; Beschl. v. 25.2.2016 – III ZB 66/15, BGHZ 209, 120 Rn 8 [= AGS 2016, 252]).

bb) Die Frage, ob im Berufungsverfahren die Kosten für die Einreichung eines Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt wird, auch dann erstattungsfähig sind, wenn dieser erst nach der Rücknahme der Berufung bei Gericht eingeht, ist bereits Gegenstand von Entscheidungen des BGH gewesen. Danach stellt die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Rücknahme des Rechtsmittels keine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erforderliche Maßnahme dar. Auf die (verschuldete oder unverschuldete) Unkenntnis des Rechtsmittelbeklagten von der Berufungsrücknahme kommt es nicht an. Die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners ist nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung zu begründen (BGH, Beschl. v. 23.11.2006 – I ZB 39/06, GRUR 2007, 727 Rn 16 f. = WRP 2007, 786 – Kosten der Schutzschrift II [= AGS 2007, 477]; BGHZ 209, 120 Rn 10 [= AGS 2016, 252]).

b) Dieser rechtlichen Beurteilung steht auch nicht die Entscheidung des BGH v. 25.1.2017 (XII ZB 447/16, MDR 2017, 365 [= AGS 2017, 248]) entgegen. Diese Entscheidung ist auf der Grundlage von § 80 S. 1 FamFG ergangen. Den Kostenbestimmungen der §§ 80 ff. FamFG liegt ein anderes Regelungskonzept als den §§ 91 ff. ZPO zugrunde, welches in viel stärkerem Maße den Einzelfall und dabei subjektive Elemente der schuldhaften Kostenverursachung im Blick hat (BGH MDR 2017, 365 Rn 24 [= AGS 2017, 248]).

3. Die Antragsgegnerin kann danach gem. § 91 Abs. 1 S. 1, § 516 Abs. 3 ZPO nur die Erstattung einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV nebst Auslagen (Nr. 7002 VV) i.H.v. insgesamt 633,80 EUR verlangen.

Wenn – wie hier – der Auftrag des Rechtsanwalts durch Rücknahme des Rechtsmittels endigt, bevor ein Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht wor den ist, kommt eine Erstattung einer ermäßigten Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV in Betracht. Dies setzt voraus, dass der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelgegners aufgrund eines ihm erteilten Auftrags schon vor der Rücknahme des Rechtsmittels das Geschäft i.S.v. Vorbem. 3 Abs. 2 VV betrieben hat. Hierfür kann schon die Entgegennahme des Auftrags sowie erster Informationen genügen (BGHZ 209, 120 Rn 14 [= AGS 2016, 252]). Diese Voraussetzungen sind nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdege...

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