BGB §§ 280, 628 Abs. 1 S. 1, S. 2, 2. Alt.

Leitsatz

Lehnt der Rechtsanwalt aufgrund der von ihm auftragsgemäß vorzunehmenden, inhaltlich zutreffenden Rechtsprüfung die Begründung einer Berufung ab, und kündigt der Auftraggeber daraufhin das Mandat, so behält der Anwalt seine bisher entstandene Vergütung auch dann, wenn der Auftraggeber anschließend einen anderen mit der Berufungsbegründung beauftragt.

BGH, Urt. v. 26.9.2013 – IX ZR 51/13

1 Sachverhalt

Der Beklagte hatte im Jahre 2008 gegen seine frühere Rechtsanwältin, die ihn in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vertreten hatte, Klage wegen fehlerhafter Beratung erhoben. Das LG hatte die Klage abgewiesen und ausgeführt, der geltend gemachte Beratungsfehler sei nicht nachgewiesen worden. Der Beklagte beauftragte daraufhin den Kläger mit der Durchführung des Berufungsverfahrens. Der Kläger legte Berufung ein und kam bei der anschließenden Prüfung der Erfolgsaussicht zum Ergebnis, der Beklagte werde auch im Berufungsrechtszug die gebotenen Nachweise für einen Beratungsfehler nicht erbringen können. Dies teilte der Kläger dem Beklagten in einer Besprechung am Vormittag des 16.4.2010 mit. In einem dem Beklagten am selben Tag vorab elektronisch übermittelten Schreiben fasste der Kläger den Besprechungsinhalt schriftlich zusammen und bat den Beklagten um Mitteilung, ob die Berufung zurückgenommen werden solle. Er führte weiter aus, sollte er keine Mitteilung erhalten, werde er die Berufung nicht begründen. Sie würde dann verworfen werden.

Am Nachmittag des 16.4.2010 suchte der Beklagte Rechtsanwalt K. auf. Hierbei legte er ihm das Schreiben des Klägers vor und erklärte, nach seinem Eindruck wolle ihn der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr vertreten. Auf telefonische Nachfrage wiederholte der Kläger gegenüber Rechtsanwalt K. seine Ansicht zu den fehlenden Erfolgsaussichten und riet aus Kostengründen, die Berufung zurückzunehmen. In diesem Zusammenhang äußerte der Kläger, er könne die Berufung nicht begründen; aussichtslose Sachen mache er nicht. Daraufhin teilte Rechtsanwalt K. mit, der Beklagte habe ihn beauftragt, das Mandat zu übernehmen. Er bestellte sich zum neuen Prozessbevollmächtigten, kündigte mit Schreiben v. 19.4.2010 das alte Mandatsverhältnis mit sofortiger Wirkung und begründete die Berufung. Diese wurde mit einstimmigem Beschluss des OLG zurückgewiesen.

Der Kläger macht nunmehr seinen Vergütungsanspruch für die Vertretung im Berufungsverfahren geltend. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das LG die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen – dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen – Vergütungsanspruch weiter.

2 Aus den Gründen

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der bereits durch die Einlegung der Berufung entstandene Gebührenanspruch des Klägers sei gem. § 628 Abs. 1 S. 2 BGB entfallen. Eine Kündigung des Klägers liege allerdings nicht vor (§ 628 Abs. 1 S. 2 Fall 1 BGB). Seine Erklärungen bei der Besprechung am 16.4.2010 und in dem nachfolgenden Bestätigungsschreiben ließen eine eindeutige Mandatskündigung nicht erkennen. Insbesondere die Kündigung des Beklagten vom 19.4.2010 zeige, dass auch er die vorausgegangenen Äußerungen des Klägers nicht als Kündigung verstanden habe. Es sei jedoch davon auszugehen, dass ein vertragswidriges Verhalten des Klägers zur Kündigung des Beklagten geführt habe (§ 628 Abs. 1 S. 2, Fall 2 BGB). Maßgeblich sei dabei alleine das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Telefongespräch am 16.4.2010. Die im Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils bindend festgestellten Äußerungen des Klägers, er könne die Berufung nicht begründen und aussichtslose Sachen mache er nicht, habe der Beklagte dahingehend verstehen dürfen, dass der Kläger die Berufung nicht begründen werde, weil er aussichtslose Mandate nicht bearbeite. Er habe diese Äußerungen als ernsthafte und endgültige Verweigerung einer Berufungsbegründung ansehen können. Hinsichtlich der vom Kläger bis dahin schon erbrachten anwaltlichen Leistungen sei von einem Interessenfortfall auszugehen, weil die erbrachte Tätigkeit durch die notwendige Einschaltung des zweiten Prozessbevollmächtigten und dessen Berufungsbegründung erneut angefallen sei.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Gebühren für die Vertretung im Berufungsrechtszug gem. § 628 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Ein Fortfall des Vergütungsanspruchs nach § 628 Abs. 1 S. 2 BGB scheidet aus.

1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der Anwendungsbereich des § 628 Abs. 1 S. 2, Fall 2 BGB eröffnet ist. Die Rüge der Revision, diese Bestimmung greife nicht ein, weil das streitgegenständliche Mandat sich lediglich auf die Einlegung der Berufung und die Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels bezogen habe und damit bereits zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung des Beklagten beendet gewesen...

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