Leitsatz

  1. Mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erwirkt die begünstigte Partei ohne weiteres einen Anspruch darauf, dass notwendige Reisekosten zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins, zu dem sie persönlich geladen sind, von der Staatskasse übernommen werden. Auf die VwV-Reiseentschädigung kommt es insoweit nicht an. Es bedarf auch keiner besonderen richterlichen Anordnung zur Übernahme der Kosten.
  2. Legt die Partei trotz bewilligter Verfahrenskostenhilfe notwendige Reisekosten aus eigenen Mitteln vor, muss sie ihre Aufwendungen innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem wahrgenommenen Termin gegenüber der Staatskasse abrechnen, weil sonst eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass die Partei trotz ihrer Bedürftigkeit im Übrigen zur Aufbringung der Reisekosten selbst in der Lage gewesen ist. Ein Zeitraum von 20 Monaten zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung der Kosten und deren Abrechnung ist grundsätzlich nicht mehr angemessen und schließt eine Kostenerstattung daher aus.

OLG Dresden, Beschl. v. 6.12.2013 – 20 WF 1161/13

1 Sachverhalt

Der in Baden-Württemberg wohnende Antragsgegner nahm im Rahmen eines Sorgeverfahrens am 13.12.2011 einen Anhörungstermin beim AG Riesa wahr, zu dem er persönlich geladen war. Zuvor hatte er Verfahrenskostenhilfe "auch für (seine) entfernungsbedingten Mehrkosten" beantragt; die VKH ist ihm mit Beschl. v. 30.1.2012 rückwirkend bewilligt worden.

Mit Schriftsatz v. 16.7.2013 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners seine VKH-Gebühren geltend gemacht und zugleich um Festsetzung derjenigen Fahrtkosten (i.H.v. 268,68 EUR) gebeten, die der Antragsgegner zur Wahrnehmung des Termins am 13.12.2011 hatte. Nachdem die Bezirksrevisorin u.a. darauf verwiesen hatte, dass dem Erstattungsantrag die VwV-Reiseentschädigung entgegenstehe, hat das AG die Reisekostenerstattung abgelehnt.

Hiergegen hat die Antragsgegnerseite – entsprechend den vom AG erteilten Rechtsmittelbelehrungen – durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners zunächst (ohne Erfolg) Erinnerung und sodann "Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG" erhoben.

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Dabei mag offenbleiben, ob der Rechtsbehelf unter den gegebenen Umständen überhaupt zulässig ist.

Zahlungen an mittellose Personen für die Reise zum Ort einer Verhandlung sind Gerichtskosten (Auslagen gem. Nr. 9008 GKG-KostVerz.), denen ein entsprechender Anspruch des Verfahrensbeteiligten selbst gegenübersteht. Eine Partei, der VKH bewilligt ist, wird daher analog § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich mit der Bewilligung von der Pflicht befreit, diese Auslagen zu tragen (vgl. Zöller/Geimer, 30. Aufl. § 122 ZPO Rn 26 m.w.Nachw.). Der Berechtigte muss allerdings in den Fällen, in denen die Staatskasse die Aufwendungen nicht vorab übernommen hat (etwa in Gestalt einer ihm übersandten Fahrkarte), seine Reisekosten abrechnen. Wird der Erstattungsanspruch trotz gewährter VKH vom Gericht abgelehnt, ist die Partei – nicht etwa der beigeordnete Rechtsanwalt – beschwert und kann daher gem. § 127 ZPO sofortige Beschwerde erheben. Das ist im vorliegenden Fall aber nicht geschehen. Den im Zusammenhang mit der anwaltlichen Gebührenabrechnung gestellten ursprünglichen Erstattungsantrag mag man noch so verstehen, dass er namens und für Rechnung des Mandanten geltend gemacht wird. Die dann gegen die ablehnende Entscheidung des AG verfolgten Rechtsbehelfe gem. § 56 i.V.m. § 33 RVG (Erinnerung und Beschwerde) sind aber solche, die dem Rechtsanwalt gegenüber ihn beschwerenden Abrechnungsentscheidungen zustehen und die er deswegen im eigenen Namen erhebt. Eine Beschwer des Antragsgegners wäre mithin kein tauglicher Gegenstand eines solchen Rechtsmittels.

Selbst wenn man indes davon ausgehen könnte, dass ungeachtet des (vom AG mitverursachten) fehlerhaften Rechtsmittels im Ergebnis der streitbefangene Erstattungsanspruch des Antragsgegners vom Senat in der Sache zu bescheiden wäre, bliebe die Beschwerde unbegründet.

Dabei teilt der Senat die Auffassung des Antragsgegners, dass die VwV-Reiseentschädigung (abgedr. etwa bei Zimmermann, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe 4. Aufl. 2012 Rn 530) für die materiellen Voraussetzungen seines Anspruchs nicht einschlägig ist. Eine Verwaltungsvorschrift ist nicht geeignet, sich aus dem Gesetz ergebende Rechte von Beteiligten einzuschränken oder an zusätzliche Prämissen zu knüpfen; sie kann daher auch keine das Gericht bindende Abrechnungsfrist mit der Folge bestimmen, dass nach deren Ablauf der Erstattungsanspruch eines Beteiligten, dem VKH bewilligt ist, dennoch ohne weiteres erlischt. Nr. 1.3 der Verwaltungsvorschrift mag daher Fälle betreffen, in denen es um Reisekostenentschädigung von Personen geht, denen trotz ihrer Mittellosigkeit, etwa wegen unterbliebener ordnungsgemäßer Antragstellung, keine Verfahrenskostenhilfe gewährt war. So liegt der Fall hier allerdings nicht.

Richtig ist jedoch auch, dass die VKH-berechtigte Partei sich dennoch nicht beliebig viel Zeit mit ihrem Erstattungsantrag lassen darf. Ist die VKH einmal bewil...

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