Leitsatz

  1. Ein Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der Rechtsanwalt gegen das Verbot verstößt, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist nichtig.
  2. Ein Anwaltsvertrag verstößt nicht deshalb gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, weil der Anwalt im Gebühreninteresse für den Mandanten nachteilige Maßnahmen treffen könnte.

BGH, Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 241/14

1 Sachverhalt

Die klagende Rechtsanwaltsgesellschaft verlangt Vergütung und/oder Schadensersatz gem. § 89a Abs. 2 HGB i.H.v. insgesamt 81.000,00 EUR nebst Zinsen sowie Vorlage eines Buchauszuges für den Zeitraum 1.1.2013 bis 30.9.2013. Grundlage der Ansprüche ist ein Vertrag der Parteien v. 4./9.5.2012, in welchem die Klägerin sich zu Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Rohstoffeinkauf von Hackschnitzeln und Landschaftspflegeholz verpflichtet hatte. Ziel der Vertragsbeziehung war die Vermittlung unterschriftsreifer Verträge zur möglichst kostengünstigen Belieferung der Beklagten. Zu den von der Klägerin zu erbringenden Leistungen gehörten die Erstellung, Prüfung und Verhandlung der Lieferantenverträge mit für die Beklagte akzeptablen Bedingungen. Als Gegenleistung sollte die Klägerin eine monatliche Pauschalvergütung von 3.000,00 EUR netto sowie eine erfolgsabhängige Vergütung erhalten, deren Höhe sich danach richtete, ob und wie weit der von der Beklagten an den vermittelten Lieferanten zu zahlende Kaufpreis den durchschnittlichen Preis im jeweiligen Abrechnungsmonat unterschritt. Eine Vergütung nach der Rechtsanwaltsvergütungsordnung war ausgeschlossen, soweit die Klägerin nicht ausdrücklich mit der gerichtlichen Verfolgung von Mängeleinreden oder sonstigen Ansprüchen aus Lieferantenverträgen beauftragt werden würde.

Die Beklagte erklärte mehrfach die außerordentliche Kündigung des Vertrages, welcher ordentlich erst zum 31.3.2015 gekündigt werden konnte. Die Klägerin hält diese Kündigungen für unwirksam, kündigte jedoch als Reaktion auf die Kündigungserklärungen der Beklagten mit Schreiben v. 6.2.2013 ihrerseits den Vertrag. Sie verlangt, soweit jetzt noch von Interesse, die vertraglich vereinbarte Mindestvergütung für den oben genannten Zeitraum sowie die Vorlage eines Buchauszuges. Das Berufungsgericht hat den Vertrag für nichtig gehalten und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die bisher gestellten Anträge weiter.

2 Aus den Gründen

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt (vgl. AnwBl 2015, 94): Der Vertrag v. 4./9.5.2012 sei wegen Verstoßes gegen § 43a Abs. 4 BRAO i.V.m. § 134 BGB nichtig, weil die Klägerin widerstreitende Interessen vertreten habe. Beide Vertragsparteien seien zwar übereinstimmend an möglichst niedrigen Einkaufspreisen interessiert gewesen. Es habe aber die Gefahr bestanden, dass die Klägerin, um eine möglichst günstige Vergütung zu erreichen, bereit gewesen sei, den Lieferanten bei den Vertragsbedingungen (Gewährleistungen, Vertragsdauer, Qualitätsgarantien, Liefergarantien, Kündigungsausschlüssen pp.) entgegen zu kommen, was den Interessen der Beklagten widersprochen habe. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 43a Abs. 4 BRAO sei die Nichtigkeit des Vertrages gem. § 134 BGB.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Vertrag v. 4./9.5.2012 ist nicht gem. § 43a Abs. 4 BRAO i.V.m. § 134 BGB nichtig.

1. Gem. § 43a Abs. 4 BRAO ist es einem Rechtsanwalt verboten, widerstreitende Interessen zu vertreten. Auf der Grundlage der Ermächtigung des § 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. e BRAO konkretisiert § 3 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) dieses Verbot dahingehend, dass der Rechtsanwalt nicht tätig werden darf, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise i.S.d. §§ 45, 46 BRAO beruflich befasst war. Grundlage der Regelung des § 43a Abs. 4 BRAO sind das Vertrauensverhältnis zum Mandanten, die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (BT-Drucks 12/4993, 27 f.). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus (BGH, Urt. v. 8.11.2007 – IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186 Rn 12; v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn 10). Ein Anwalt, der sich zum Diener gegenläufiger Interessen macht, verliert jegliche unabhängige Sachwalterstellung im Dienste des Rechtsuchenden (BVerfG NJW 2003, 2520, 2521). Über das individuelle Mandatsverhältnis hinaus ist die Rechtspflege allgemein auf die Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung angewiesen (BVerfG a.a.O.).

2. Ein Verstoß gegen das Verbot des § 43a Abs. 4 BRAO führt zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages.

a) Ob § 43a Abs. 4 BRAO ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB ist, ein Verstoß also zur Nichtigkeit des jeweiligen...

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