Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt (vgl. AnwBl 2015, 94): Der Vertrag v. 4./9.5.2012 sei wegen Verstoßes gegen § 43a Abs. 4 BRAO i.V.m. § 134 BGB nichtig, weil die Klägerin widerstreitende Interessen vertreten habe. Beide Vertragsparteien seien zwar übereinstimmend an möglichst niedrigen Einkaufspreisen interessiert gewesen. Es habe aber die Gefahr bestanden, dass die Klägerin, um eine möglichst günstige Vergütung zu erreichen, bereit gewesen sei, den Lieferanten bei den Vertragsbedingungen (Gewährleistungen, Vertragsdauer, Qualitätsgarantien, Liefergarantien, Kündigungsausschlüssen pp.) entgegen zu kommen, was den Interessen der Beklagten widersprochen habe. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 43a Abs. 4 BRAO sei die Nichtigkeit des Vertrages gem. § 134 BGB.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Vertrag v. 4./9.5.2012 ist nicht gem. § 43a Abs. 4 BRAO i.V.m. § 134 BGB nichtig.

1. Gem. § 43a Abs. 4 BRAO ist es einem Rechtsanwalt verboten, widerstreitende Interessen zu vertreten. Auf der Grundlage der Ermächtigung des § 59b Abs. 2 Nr. 1 lit. e BRAO konkretisiert § 3 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) dieses Verbot dahingehend, dass der Rechtsanwalt nicht tätig werden darf, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise i.S.d. §§ 45, 46 BRAO beruflich befasst war. Grundlage der Regelung des § 43a Abs. 4 BRAO sind das Vertrauensverhältnis zum Mandanten, die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (BT-Drucks 12/4993, 27 f.). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus (BGH, Urt. v. 8.11.2007 – IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186 Rn 12; v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 3039 Rn 10). Ein Anwalt, der sich zum Diener gegenläufiger Interessen macht, verliert jegliche unabhängige Sachwalterstellung im Dienste des Rechtsuchenden (BVerfG NJW 2003, 2520, 2521). Über das individuelle Mandatsverhältnis hinaus ist die Rechtspflege allgemein auf die Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung angewiesen (BVerfG a.a.O.).

2. Ein Verstoß gegen das Verbot des § 43a Abs. 4 BRAO führt zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages.

a) Ob § 43a Abs. 4 BRAO ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB ist, ein Verstoß also zur Nichtigkeit des jeweiligen Vertrages führt, ist in der instanzgerichtlichen Rspr. und in der Lit. umstritten (ein Verbotsgesetz nehmen an OLG Karlsruhe NJW 2001, 3197, 3199; KG NJW 2008, 1458; Vill, in: G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn 353; Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43a Rn 210; Zuck, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 43a BRAO/§ 3 BORA Rn 36; Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl., § 43a Rn 202; Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 4. Aufl., § 3 Rn 18; Deckenbrock, Strafrechtlicher Parteiverrat und berufsrechtliches Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, 2009, Rn 785 ff., 791; MüKo-BGB/Armbrüster, 7. Aufl., § 134 Rn 100; Staudinger/Sack/Seibl, BGB, 2011, § 134 Rn 220 zu § 43a Abs. 4 BRAO; a.A. etwa Borgmann/Jungk/Schwaiger, Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 12 Rn 56; Knöfel, AP BRAO § 43a Nr. 1 unter II. 2.; Kilian, RdA 2006, 120, 123) und höchstrichterlich noch nicht entschieden (vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.5.2009 – IX ZR 60/08, WM 2009, 1296 Rn 7 m.w.N.; v. 19.9.2013 – IX ZR 322/12, WM 2014, 87 Rn 7).

b) Der Wortlaut der Norm ist eindeutig. Die Vorschrift des § 43a Abs. 4 BRAO verbietet es dem Rechtsanwalt, widerstreitende Interessen zu vertreten. Gesetz i.S.d. § 134 BGB ist jede Rechtsnorm (vgl. Art. 2 EGBGB). Dass es sich bei § 43a Abs. 4 BRAO um eine berufsrechtliche, keine zivilrechtliche Bestimmung handelt, steht der Anwendung des § 134 BGB daher nicht entgegen. Welche zivilrechtliche Rechtsfolge ein Verstoß gegen das Gebot des § 43a Abs. 4 BRAO nach sich zieht, ist in dieser Vorschrift allerdings nicht geregelt und daher im Wege der Auslegung zu ermitteln.

aa) Adressat des Verbotes des § 43a Abs. 4 BRAO ist der Rechtsanwalt, nicht auch der Mandant. Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, das nur einen der Vertragsbeteiligten betrifft, führt in der Regel nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, wenn das gesetzliche Verbot nur die eine Seite der Beteiligten in ihren Handlungen beeinflussen und vom Abschluss eines Vertrages abhalten soll. Nur dann ist ausnahmsweise die Folgerung gerechtfertigt, ein Rechtsgeschäft sei nach § 134 BGB nichtig, wenn es mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (BGH, Urt. v. 10.12.1975 – VI...

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