I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

1. Die Klage ist zulässig. (wird ausgeführt)

2. Die Klage ist aber unbegründet.

a) Zunächst ist festzustellen, dass die Verhandlung nicht nach § 74 FGO auszusetzen ist. Das wäre nur dann erforderlich, wenn eine rechtswegfremde Gegenforderung inhaltlich zur Überprüfung stünde, was hier nicht der Fall ist. Denn streitentscheidend ist, ob das Aufrechnungshindernis des § 226 Abs. 3 AO vorliegt. Eine inhaltliche Überprüfung der rechtswegfremden Gegenforderungen findet im streitigen Verfahren hingegen nicht statt.

b) Nach § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist. Gem. § 226 Abs. 3 AO können Steuerpflichtige gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis allerdings nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.

§ 226 Abs. 3 AO soll verhindern, dass die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch Vorschützen von ungewissen oder zweifelhaften, womöglich erst einer längeren Aufklärung und Feststellung bedürftigen Gegenforderungen aufgehalten wird (Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO Rn 39; Niedersächsisches FG, Urt. v. 3.11.1993 – IX 188/88, juris; FG Kassel, Urt. v. 2.9.2009 – 8 K 2080/08, EFG 2010, 296). Die Finanzbehörde ist überfordert, wenn sie entscheiden soll, ob der Steuerpflichtige einen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen den Justizfiskus (VGH München, Beschl. v. 4.2.2002 – 23 ZS 01.3171, beck-online) oder gegen den Finanzfiskus (Niedersächsisches FG, Urt. v. 3.11.1993 – IX 188/88, juris) hat. Soweit es sich jedoch um Ansprüche des Steuerpflichtigen aus dem Steuerschuldverhältnis handelt, ist die Finanzbehörde dagegen von der Sache her nicht überfordert (Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO, Rn 39; Niedersächsisches FG, Urt. v. 3.11.1993 – IX 188/88, juris).

Rechtskräftig festgestellt wird die Gegenforderung durch Gerichte und Behörden (Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO Rn 40).

Unbestritten ist die Gegenforderung, wenn sie ausdrücklich anerkannt wird oder wenn keine Einwendungen gegen sie erhoben werden (Rozek, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 226 AO Rn 70), wobei das Gesetz kein substantiiertes Bestreiten verlangt; es genügt der Hinweis darauf, dass die Gegenforderung noch nicht rechtskräftig/bestandskräftig festgestellt oder aus welchen Gründen auch immer fragwürdig sei (Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 226 AO Rn 41, m.w.N. aus der Rspr.). Substantiierte Einwendungen gegen das Bestehen der Gegenforderung sind aber dann erforderlich, wenn der Schuldner mit einem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis aufrechnet, da in einem solchen Fall die Finanzbehörde selbst feststellen kann, ob die Gegenforderung besteht (Loose, a.a.O., m.w.N.).

Soweit für die Feststellung der Gegenforderung und der Hauptforderung verschiedene Behörden zuständig sind, muss der aufrechnende Steuerpflichtige darlegen, dass die Gegenforderung entweder rechtskräftig festgestellt oder unbestritten ist (vgl. Loose, a.a.O., Rn 42; Rozek, a.a.O.; BFH, Urt. v. 10.7.1979 – VI R 114/75, BStBl II 1979, 690).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die angefochtenen Verwaltungsakte rechtmäßig, denn für die Feststellung der Gegenforderungen ist nicht die Finanz-, sondern die Justizbehörde zuständig, so dass die Finanzbehörde darauf abstellen durfte, dass die Gegenforderungen im dafür vorgesehenen Verfahren noch nicht rechtskräftig festgestellt wurden.

aa) Die hier streitgegenständlichen Gegenforderungen sind nicht etwa deshalb unstreitig, weil die Klägerin über Beschlüsse verfügt, in denen beispielsweise Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ihre Gesellschafter beigeordnet wurden. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, wonach Forderungen deshalb als unstrittig gelten, weil der Fordernde Organ der Rechtspflege ist oder weil er, wie im Streitfall, die Unstreitigkeit behauptet.

bb) Das Gesetz selbst beinhaltet zwei Tatbestände, die alternativ vorliegen müssen. Entweder die Forderung ist unbestritten, dann bedarf es keiner rechtskräftigen Feststellung mehr, oder sie ist rechtskräftig festgestellt, dann ist ein Bestreiten irrelevant.

Die Regelung behandelt die rechtskräftig festgestellte Forderung damit nicht als Unterfall der unbestrittenen Forderung. Ebenfalls gibt das Gesetz kein Stufenverhältnis dergestalt vor, dass eine passiv unbestrittene Forderung vorliegt, solange keine Einwendungen erhoben worden sind, eine aktiv unbestrittene, soweit der Vergütungsantrag positiv entschieden, aber noch nicht rechtskräftig ist, und nach Rechtskraft dann die rechtskräftig festgestellte Forderung.

Sinn und Zweck der Regelung des § 226 Abs. 3 AO ist es, Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich daraus ergeben, dass für die Feststellung d...

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