Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob die Klägerin mit Rechtsanwaltsvergütungsforderungen gem. § 55 RVG, für deren Festsetzung der Beklagte nicht zuständig ist, gegen Umsatzsteuerforderungen des Beklagten aufrechnen durfte und ob in diesem Zusammenhang Säumniszuschläge entstanden sind.

Die Klägerin hat gegen zahlreiche Forderungen wegen Umsatzsteuervorauszahlung die Aufrechnung mit gegen die Landeskasse gerichteten Vergütungsforderungen als beigeordnete oder bestellte Rechtsanwälte jeweils bestehend aus diversen Einzelpositionen erklärt. Den Aufrechnungserklärungen waren Beschlüsse über die Bestellung von Rechtsanwälten der Klägerin als notwendige Verteidiger, Berechtigungsscheine über Beratungshilfe und Kostenerstattungsanträge an Gerichte beigefügt.

Ungeachtet dessen hat der Beklagte Abrechnungsbescheide erlassen und darin die Aufrechnungserklärungen, gestützt auf § 226 Abs. 3 AO, insoweit als nicht wirksam zurückgewiesen. Zugleich stellte der Beklagte fest, dass Säumniszuschläge verwirkt seien.

Die dagegen von der Klägerin jeweils frist- und formgerecht eingelegten Einsprüche wie auch die gleichzeitig gestellten Anträge auf Herabsetzung der Säumniszuschläge auf 0 EUR wurden vom Beklagten zurückgewiesen.

Die Klägerin meint, sie habe aufrechnen dürfen, insbesondere könne der Beklagte die erklärte Aufrechnung nicht durch einfaches, d.h. unsubstantiiertes Bestreiten unzulässig machen. Schließlich habe die Klägerin erklärt, dass die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen rechtskräftig festgestellt oder unbestritten seien.

Die Gegenforderungen seien hier auch unbestritten, denn es sei Sache des Schuldners der Vergütungsforderungen, hier der Landeshauptkasse, die Forderungen auf ihre Begründetheit dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen und etwaige vorhandene materiellrechtliche Einwendungen zu erheben, was hier unterblieben sei.

Zu berücksichtigen sei dabei, dass es sich hier nicht um irgendwelche fragwürdigen Ansprüche handele, sondern es ginge um rechtskräftig festgestellte oder unbestrittene Vergütungsansprüche von Rechtsanwälten, die auf Grundlage von Beiordnungsbeschlüssen staatlicher Gerichte entstanden seien. Zudem sei ein Rechtsanwalt auch Organ der Rechtspflege. Zu beachten sei weiter, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts durch ein Gericht eine bürgschaftsähnliche Verpflichtung der Staatskasse begründe.

Der Finanzbehörde sei es mangels Sachnähe und Sachkenntnisse verwehrt, gegen die gem. § 55 RVG zur Festsetzung gestellten Rechtsanwaltsvergütungsforderungen Einwendungen zu erheben. Im Leitfaden der OFD zur Aufrechnung sei Folgendes zu lesen: Die Aufrechnung führt zum Erlöschen beider Ansprüche. Die Ansprüche gelten, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen, in dem sie einander zuerst zur Aufrechnung gegenübergestanden haben. Der Zeitpunkt des Erlöschens wird somit nach dem Eintritt der Aufrechnungslage, nicht nach dem Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung, bestimmt. Vom Zeitpunkt der Aufrechnungslage bis zur Aufrechnungserklärung sind daher keine Säumniszuschläge zu erheben.

Hilfsweise wurde vorgetragen, dass die für die Kostenerstattungsanträge zuständigen Gerichte die von der Klägerin dem Beklagten gegenüber erklärten Aufrechnungen beachteten und die Justizkassen zu Zahlungen an den Beklagten angewiesen hätten. Es sei daher Pflicht des Beklagten, bei Empfang einer Aufrechnungserklärung sich mit den für die Auszahlung zuständigen Behörden in Verbindung zu setzen.

Mit weiterem Schriftsatz hat die Klägerin ihren Vortrag vertieft und Folgendes ergänzend vorgetragen:

Zur Rechtsnatur des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse sei auszuführen, dass der Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vollständig frei in der Entscheidung sei, ob und welche Mandate er annehme und führe (§ 48 BRAO). So treffe den Rechtsanwalt eine Pflicht zur Übernahme der Prozessvertretung infolge der Beiordnung oder Bestellung durch das jeweils entscheidende Gericht. Beiordnung und Bestellung seien rechtsgestaltende Verwaltungsakte, durch die ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis zwischen dem Anwalt und der Körperschaft, welche die Beiordnung oder Bestellung vorgenommen habe, begründet . Soweit durch die Beiordnung oder Bestellung des Anwalts ihm gegenüber eine Zahlungsverpflichtung der Staatskasse begründet werde, habe diese bürgschaftsähnlichen Charakter. Es handele sich um eine öffentlich-rechtliche Zusage, für eine fremde Schuld, nämlich die Zahlungsverpflichtung der vertretenen Person, bis zur Höhe der festgelegten ("garantierten") Vergütung einstehen zu wollen. Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen den Staat ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz. Allerdings erhalte der beigeordnete oder bestellte Rechtsanwalt eine gegenüber der gesetzlichen Vergütung verminderte Vergütung. Zum Ausgleich hierfür habe der Gesetzgeber eine Zahlungsverpflichtung der Staatskasse begründet und Regelungsmechanismen zur Geltendmachung der Vergütungsansprüch...

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