Die Frage der Angelegenheit ist eine bedeutende Frage im Rahmen der Beratungshilfe, denn hier entscheidet sich, ob der Rechtsanwalt, der das "Armutsmandat" annimmt, einmal oder ggf. mehrfach "Geld" erhält. Gem. § 2 Abs. 2 BerHG wird Beratungshilfe nicht für einzelne Tätigkeiten, sondern in "Angelegenheiten" gewährt. Die Beratungspersonen erhalten pro Angelegenheit für ihre Tätigkeit gem. § 44 RVG eine Vergütung aus der Landeskasse nach den Nrn. 2501–2508 VV. Der Begriff der "Angelegenheit" ist gesetzlich im BerHG und RVG nicht ausdrücklich definiert. Dieser stellt einen zentralen Begriff des Vergütungsrechts dar und wird im RVG an verschiedenen Stellen, z.B. §§ 15 ff. RVG, erwähnt. Es handelt sich hierbei wohl um eines der wesentlichen Probleme bei der Feststellung der aus der Staatskasse der Beratungsperson zu erstattenden Vergütung[5] und ist daher naturgemäß streitbefangen. Zur Frage der Angelegenheit hatte das AG Rinteln zu entscheiden.[6] Zwar erging die Entscheidung im Wege der Festsetzungsfrage – gleichwohl, da sie eigentlich das "Bewilligungsverfahren" betrifft – soll sie an dieser Stelle aufgeführt werden. Was war geschehen? Zunächst wurde durch das Gericht nur ein Berechtigungsschein für "Mietsache (Abwehr Mieterhöhungsverlangen, Nebenkostenabrechnung 2018)" bewilligt und folglich eine Angelegenheit angenommen. Bei Vergütungsantragstellung durch die Beratungsperson wurden dann "zwei" Abrechnungen eingereicht. Während auf den einen Antrag hin festgesetzt wurde, erfolgte unter Hinweis, wonach nur 1 Berechtigungsschein erteilt worden sei, der zweite Antrag zurückgewiesen. Zu Unrecht, wie der Richter auf das eingelegte Rechtsmittel hin entschied. Das Thema Nebenkostenabrechnung sowie das Thema Abwehr Mieterhöhung bilde keine identische Angelegenheit. Unter dem Begriff "Mietverhältnis" könne nicht alle mietrechtlichen Ansprüche zu einer Angelegenheit zusammenfasst werden.[7] Zudem – so das Gericht – können im Rahmen der Auslegung des Begriffes der Angelegenheit aus verfassungsrechtlicher Sicht die extrem niedrigen Gebühren der Beratungshilfe zu berücksichtigen sein. Im Mietrecht könne zwar ein innerer Zusammenhang zwischen Nebenkostenabrechnungen für mehrere Jahre vorliegen. Auch könnten bei Zahlungsforderungen und im Zusammenhang mit diesen Rückständen ausgesprochene fristlose oder ordentliche Kündigungen ein Zusammenhang bestehen. Ein innerer Zusammenhang zwischen einer Nebenkostenabrechnung und einer Erhöhung der Kaltmiete, z.B. bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 BGB), bilde hingegen keinen inneren Zusammenhang. Unabhängig der Frage, ob in dem entschiedenen Fall tatsächlich ein oder zwei Angelegenheiten vorlagen, bietet doch das "Vorgehen" wiederum Streitpotential und bildet die gegenwärtige Meinungsunentschiedenheit ab, wie mit der nachträglichen "Vermehrung" von Angelegenheiten umzugehen ist. Die Anzahl der erteilten Berechtigungsscheine ist zwar mangels gesetzlicher Anordnung nach überwiegender Meinung in Rspr.[8] und Lit.[9] nicht maßgebend für die Anzahl der Angelegenheiten und führt daher nicht automatisch dazu, dass auf die Anzahl der Angelegenheiten Rückschlüsse gezogen werden dürfen. Aus diesem Grund ist es auch anerkannt, dass bei Erteilung von mehreren Scheinen und sich anschließend herauskristallisierender einheitlicher Angelegenheit nur einmal "abgerechnet" werden kann. "Streitig" bleibt indes jedoch der umgekehrte Fall, wonach nur ein Schein erteilt wurde, mehrfach aber abgerechnet werden soll. Teilweise wird argumentiert, wonach der festsetzende Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bei Festsetzung in eigener Verantwortung beurteilen soll, ob eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen. Nach anderer – m.E. zutreffender Ansicht – bedarf es aber nach dem stets einer vorhergehenden Bewilligung, sodass danach zwar selbst bei mehreren erteilten Berechtigungsscheinen der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Zahl der Angelegenheiten im Nachhinein auf die tatsächliche Anzahl der Angelegenheiten reduzieren kann, ein Erweiterung eines Scheins auf mehrere Angelegenheiten hingegen nicht erfolgen kann. Letzteres deckt sich insbesondere mit der funktionellen Zuständigkeit nach dem RPflG, wonach (§ 24a RPflG) die Bewilligungszuständigkeit einzig beim Rechtspfleger liegt und gerade nicht beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, insbesondere wenn die Festsetzung – wie in manchen Bundesländern üblich – nicht mehr in Personalunion durch den Rechtspfleger, sondern mittlerweile durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des mittleren Dienstes oder durch den Unterstützungsbereich wahrgenommen wird. Würde man eine nachträgliche Erweiterung zulassen, käme dies einer Umgehung des RPflG gleich, die Bewilligung wäre m.E. unwirksam. Im vorliegenden Fall wäre daher nach eigener Ansicht der korrekte Weg gewesen, gegen die isolierte Bewilligung nur einer Angelegenheit vorzugehen.

Ebenfalls zu Angelegenheit – nämlich zur Frage der Anzahl in Familiensachen – hatte das OLG Karlsruhe[10] zu entscheiden. Der mitt...

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