FamFG §§ 113 Abs. 1, 117 Abs. 5; ZPO §§ 114, 115, 233 S. 1

Leitsatz

Begehrt der Rechtsmittelführer Verfahrenskostenhilfe, muss er in der Beschwerdeinstanz mit der Ablehnung des Verfahrenskostenhilfegesuchs wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen, wenn sich nach der erstinstanzlichen Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wesentliche Änderungen ergeben haben (Fortführung von BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZB 22/11).

BGH, Beschl. v. 11.9.2019 – XII ZB 120/19

1 Sachverhalt

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Wiedereinsetzungsantrags.

Das AG hat nach im Jahr 2014 erfolgter Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Antragsgegnerin durch Endbeschluss v. 27.7.2018 u.a. ihren Antrag auf Zahlung von Zugewinnausgleich abgewiesen und zugleich den Versorgungsausgleich der zuvor rechtskräftig geschiedenen Beteiligten geregelt. Der Beschluss ist der Antragsgegnerin am 16.8.2018 zugestellt worden. Das OLG hat ihren rechtzeitig eingegangenen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für eine Beschwerde mangels Bedürftigkeit mit – ihr am 13.11.2018 zugegangenem – Beschl. v. 2.11.2018 abgelehnt. Am 27.11.2018 hat die Antragsgegnerin beim AG Beschwerde eingelegt, diese zugleich begründet und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Den Wiedereinsetzungsantrag hat sie darauf gestützt, dass sie mit der Zurückweisung ihres Gesuchs mangels Bedürftigkeit durch das OLG nicht habe rechnen müssen, nachdem ihr im ersten Rechtszug Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden sei. Mit Beschl. v. 12.2.2019 hat das OLG den Antrag der Antragsgegnerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Rechtsbeschwerde.

2 Aus den Gründen

Die gem. § 117 Abs. 1 S. 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rspr. keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die Antragsgegnerin weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Schließlich liegt auch keine Divergenz zur höchstrichterlichen Rspr. vor.

1. Das OLG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist oder Rechtsmittelbegründungsfrist Verfahrenskostenhilfe beantragt habe, sei bis zur Entscheidung über seinen Antrag als unverschuldet verhindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen oder rechtzeitig zu begründen, wenn er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit habe rechnen müssen. Das sei allerdings dann nicht der Fall, wenn der Rechtsmittelführer oder sein Verfahrensbevollmächtigter habe erkennen können, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht gegeben seien.

Die Antragsgegnerin habe infolge des Verkaufs der Immobilie in N. von dem Zuwachs an liquiden oder zumindest vollstreckbaren Mitteln i.H.v. 12.788,03 EUR vor Ablauf der Beschwerdefrist gewusst. Schon deshalb habe sie nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im September 2018 genauso zu beurteilen gewesen seien wie für den ersten Rechtszug.

Dies gelte umso mehr, als der Antragsteller zumindest einer grundpfandrechtlichen Belastung des weiteren im hälftigen Miteigentum der Beteiligten stehenden Anwesens in S. zuzustimmen bereit gewesen wäre und dieses Objekt nicht mehr als Schonvermögen geschützt gewesen sei, da die Antragsgegnerin dieses Haus – anders als zum Zeitpunkt der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im ersten Rechtszug – nicht mehr bewohnt habe. Eine Beleihung wäre bei einem geschätzten Immobilienwert von 185.000,00 EUR und einer bestehenden Belastung von 45.000,00 EUR auch unschwer möglich gewesen.

2. Das hält sich im Rahmen der Rspr. des BGH.

a) Danach ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Verfahrenskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über diesen Antrag nur so lange als ohne sein Verschulden an der Fristwahrung gehindert anzusehen, wie er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung des Verfahrenskostenhilfegesuchs wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste. War die Erwartung einer Verfahrenskostenhilfebewilligung hingegen nicht gerechtfertigt, weil der Beteiligte oder sein Vertreter erkennen konnte, dass die subjektiven Voraussetzungen für die Verfahrenskostenhilfe nicht erfüllt waren, scheidet eine Wiedereinsetzung aus (vgl. BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – IV ZR 3/17, VersR 2018, 1149 Rn 10 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 25.3.2015 – XII ZB 96/14, FamRZ 2015, 1103 Rn 5 m.w.N.).

Wenn dem Rechtsmittelführer bereits für den ersten Rechtszug Verfahrenskostenhilfe bewil...

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