Einführung

Zwar erhält der Anwalt keine Zusätzliche Gebühr, wenn er lediglich darauf hinwirkt, dass es nicht zur Anklage kommt, sondern dass das Verfahren per Strafbefehl abgeschlossen wird; jedoch kann durchaus im Strafbefehlsverfahren eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV anfallen. Der nachfolgende Beitrag soll die verschiedenen Verfahrenskonstellationen unter Berücksichtigung der ergangenen Rechtsprechung einmal näher beleuchten.

I. Zugehörigkeit zum erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren über den Erlass eines Strafbefehls bereits zum erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren zählt. Das vorbereitende Verfahren endet (und das erstinstanzliche gerichtliche Verfahren beginnt) mit Eingang der Anklageschrift, des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht oder im beschleunigten Verfahren bis zum Vortrag der Anklage, wenn diese nur mündlich erhoben wird (Anm. zu Nr. 4104 VV). Bereits die Entgegennahme des Strafbefehls und dessen Prüfung lösen damit bereits die Vergütung im gerichtlichen Verfahren aus.

 

Beispiel

Der Anwalt wird im gerichtlichen Verfahren als Verteidiger tätig. Es ergeht ein Strafbefehl, gegen den kein Einspruch eingelegt wird.

Mit Eingang des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls beginnt das gerichtliche Verfahren (Anm. zu Nr. 4104 VV). Der Anwalt verdient also im Strafbefehlsverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr.

 
I. Vorbereitendes Verfahren
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   200,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   165,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 385,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   73,15 EUR
  Gesamt   485,15 EUR
 
II. Erstinstanzliches Verfahren vor dem Amtsgericht
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 185,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   35,15 EUR
  Gesamt   220,15 EUR

II. Höhe der Gebühr

Wie in allen Fällen der Zusätzlichen Gebühr handelt es sich faktisch um eine Festgebühr,[1] die immer in Höhe der jeweiligen Rahmenmitte entsteht. Eine Reduzierung dieser Gebühr, weil hier die Mitwirkung nur ein geringes Ausmaß verursacht habe, ist nicht zulässig. Ebenso wenig kann der Anwalt einen höheren Betrag ansetzen, weil Aufwand und Schwierigkeit überdurchschnittlich waren. Dies kann nur bei der Verfahrensgebühr berücksichtigt werden.

Andererseits ist weder ein Haftzuschlag noch eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV zu berücksichtigen.

[1] LG Saarbrücken AG kompakt 2015, 17 = NStZ-RR 2015, 264; KG AG kompakt 2011, 122 u. 140 = JurBüro 2012, 466 = VRR 2011, 438 = StRR 2011, 438 = RVGprof. 2011, 210 = RVGreport 2012, 110; AG Limburg SVR 2008, 268; AG Weilburg AGS 2007, 561; AnwK-RVG/N. Schneider, 8. Aufl., 2017, Nr. 4141 VV Rn 156; Burhoff, RVG, 5. Aufl., 2017, Nr. 4141 VV Rn 93.

III. Rücknahme des Einspruchs

Gesetzlich geregelt ist zum einen der Fall der rechtzeitigen Einspruchsrücknahme. Der Verteidiger erhält eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141 VV, wenn gegen den Strafbefehl zunächst Einspruch eingelegt worden war, dieser aber später unter Mitwirkung des Verteidigers wieder zurückgenommen wird. Dabei muss nicht unbedingt der Anwalt den Einspruch zurücknehmen. Die Zusätzliche Gebühr entsteht auch dann, wenn der Anwalt als Verteidiger zur Einspruchsrücknahme rät und der Beschuldigte die Rücknahme selbst erklärt.[2]

Zu beachten ist hier allerdings ggfs. eine Frist. Ist eine Hauptverhandlung bereits anberaumt, muss die Rücknahme des Einspruchs mehr als zwei Wochen vor Beginn des Tages erklärt werden, für den die Hauptverhandlung vorgesehen ist. Anderenfalls entsteht die Zusätzliche Gebühr nicht.

 

Beispiel

Gegen den Beschuldigten wird wegen einer Straftat ermittelt. Es ergeht ein Strafbefehl. Dagegen legt der bereits im vorbereitenden Verfahren tätige Verteidiger Einspruch ein. Dieser wird später wieder zurückgenommen.

a) Eine Hauptverhandlung war noch nicht anberaumt.

b) Die Hauptverhandlung steht in einer Woche an.

Im Fall a) ist eine Zusätzliche Gebühr angefallen. Ausgehend jeweils von der Mittelgebühr ist wie folgt abzurechnen:

 
I. Vorbereitendes Verfahren
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   200,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   165,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 385,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   73,15 EUR
  Gesamt   485,15 EUR
 
II. Erstinstanzliches Verfahren vor dem Amtsgericht
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 zu Nr. 4141, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 350,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   66,50 EUR
  Gesamt   416,50 EUR

Im Fall b) ist eine Zusätzliche Gebühr nicht angefallen, da die Rücknahmefrist nicht eingehalten worden ist. Abzurechnen ist wie folgt:

 
I. Vorbereitendes Verfahren
wie oben
 

II. Erstinstanzliches Verfahren vor dem Amtsgericht

1.

Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV

165,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 185,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 70...

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