FamFG §§ 78, 249 ff.

Leitsatz

Im Rahmen des vereinfachten Verfahrens ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Antragstellerseite möglich, wenn das Einkommen des Antragsgegners aus selbstständiger Tätigkeit geschätzt werden muss.

OLG Hamm, Beschl. v. 26.9.2013 – II-2 WF 176/13

1 Sachverhalt

Die Antragstellerin beantragte die Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren über Minderjährigenunterhalt.

Die Antragstellerin hat überdies die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ihren Antrag begehrt und hierzu die Auffassung vertreten, dass auch in dem vereinfachten Verfahren die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht ausgeschlossen und ihr ein Anwalt beizuordnen sei, da sie als juristischer Laie überfordert sei, das Verfahren selbst zu betreiben. Denn sie könne weder das Einkommen des Antragsgegners schätzen noch schwierige Fragen wie die der Berechnung oder der Kindergeldverrechnung selbst beantworten. Beachtlich sei überdies, dass der Antragsgegner in selbstständiger Stellung tätig sei und ihr damit ohne anwaltliche Hilfe die Berechnung des laufenden Unterhaltes nicht möglich sei.

Das AG hat den seitens des Antragsgegners zu zahlenden Unterhalt festgesetzt, der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe bewilligt und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes mit der Begründung abgelehnt, dass die gesetzliche Vertreterin der Antragstellerin sich an das Jugendamt der Stadt hätte wenden können zum Zwecke der Einrichtung einer Unterhaltsbeistandschaft. Insofern habe es einer anwaltlichen Begleitung für das vorliegende Verfahren nicht bedurft.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Antragstellerin, soweit die nachgesuchte Anwaltsbeiordnung abgelehnt worden ist. Sie rügt, dass der Verweis des AG auf die Unterhaltsbeistandschaft deswegen zu kurz greife, weil der Antragsgegner in selbstständiger Stellung tätig sei und sich wirtschaftlich nicht für leistungsfähig erachtet habe, sodass es einer eingehenden Überprüfung seiner Einkommensverhältnisse bereits vor Einleitung des Verfahrens bedurft habe. Diese Angelegenheit habe sie nicht allein überblicken können, auch nicht mithilfe des Jugendamtes. Bereits in der Vergangenheit habe der Antragsgegner sich mit vielen Argumenten seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit betreffend gegen die Unterhaltsverpflichtung gewehrt. Die anwaltliche Einschaltung für das Unterhaltsfestsetzungsverfahren sei geboten gewesen.

Das AG hat der Beschwerde mit der ergänzenden Begründung nicht abgeholfen, es sei seitens des örtlichen Jugendamtes ausdrücklich bestätigt worden, dass es der anwaltlichen Vertretung im vereinfachten Unterhaltfestsetzungsverfahren nicht bedürfte, sondern die Vertretung durch das Jugendamt als Beistand erfolgen könne. Es hat die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

2 Aus den Gründen

Die nach den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

1. Gem. § 78 Abs. 2 FamFG wird dem Beteiligten dann, wenn – wie im vorliegenden Verfahren – eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

a) Bei der gebotenen objektiven Bemessung der Schwierigkeit kann jeder der genannten Umstände, d.h. sowohl die Schwierigkeit der Rechtslage als auch die Schwierigkeit der Sachlage für sich allein die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe erforderlich machen. Entscheidend ist dabei, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage eines Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 23.6.2010 – XII ZB 232/09, FamRZ 2010, 1427). Dabei sind als Abwägungskriterien auch die subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten zu berücksichtigen, insbesondere seine Fähigkeit, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 7.5.2010 – 10 WF 78/10, SchlHA 2011, 205).

Ob die Beiordnung i.S.v. § 78 Abs. 2 FamFG erforderlich erscheint, hängt also davon ab, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 23.6.2010 – XII ZB 232/09, FamRZ 2010, 1427; OLG Dresden, Beschl. v. 16.6.2010 – 20 WF 460/10, FamRZ 2010, 2006). Auch ein bemittelter Verfahrensbeteiligter beurteilt die Notwendigkeit zur Beauftragung eines Rechtsanwalts unter Berücksichtigung seiner eigenen subjektiven Fähigkeiten und damit danach, ob er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage ist, zu den verfahrensgegenständlichen Streitfragen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ohne anwaltliche Unterstützung sachgerecht Stellung zu nehmen (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 16.6.2010 – 20 WF 460/10, FamRZ 2010, 2006).

b) Grundsätzlich kann – worauf die Antragstellerin zutreffend verweist – auch für den Antragsgegner im vereinfachten Unterhaltsf...

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