1. Die Beschwerde hat Erfolg, weil die als entgangen geltend gemachten anderweitigen Anlagezinsen nicht als Nebenforderung i.S.d. in der Regelung identischen Vorschriften des § 43 Abs. 1 GKG und des § 4 Abs. 1, 2. Hs. ZPO anzusehen sind. Vielmehr machen die Kläger insoweit eine eigenständige Schadensposition geltend.

Der Senat hält auch in Kenntnis der abweichenden Rspr. des 19. Zivilsenats des OLG Frankfurt/M. (vgl. Beschl. v. 3.9.2011 – 19 W 46/10) in Übereinstimmung mit der Rspr. des 9. Zivilsenats (Beschl. v. 1.9.2010 – 9 W 21/10) und des 17. Zivilsenats (u.a. Beschl. v. 25.2.2011 – 17 U 140/10) an seiner bisherigen Rechtsauffassung (Beschl. v. 7.6.2010 – 1 W 30/10) fest.

Ist auf dem Kapitalmarkt ein Anlageinteressent durch unrichtige Prospekte oder Verletzung von Anlageberatungs- oder Aufklärungspflichten bewogen worden, eine bestimmte Kapitalanlage zu tätigen, kann er – als eine denkbare Möglichkeit des Schadensausgleichs – verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wie er gestanden hätte, wenn er die Anlage nicht getätigt hätte. In einem solchen Fall sind dem Geschädigten seine Einlage und die Vorteile zu ersetzen, die er durch deren anderweitige Anlage hätte erzielen können (BGH, Urt. v. 2.12.1991, NJW 1992, 1223). Dies entspricht dem Begehren der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit. Sie verlangen Rückzahlung des eingesetzten Kapitals Zug-um-Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Wertpapiere und Ausgleich für die entgangenen Zinsvorteile; denn ein solcher Zinsschaden ergibt sich typischerweise daraus, dass das vorhandene Kapital in solcher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (BGH, a.a.O., Rn 14).

Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Gegebenheiten ist es bereits erheblich zweifelhaft, ob es sich bei dem geltend gemachten Schaden in Gestalt anderweitig entgangener Anlagezinsen um Zinsen i.S.d. §§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 1 S. 2 ZPO handelt. Denn Zinsen i.S.d. Vorschriften sind typischerweise das vom Schuldner zu entrichtende Entgelt für die Überlassung von Kapital (vgl. nur Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 4 Rn 11). Die Kläger begehren aber nicht Zinsen dafür, dass sie die Einlage der Rechtsvorgängerin Beklagten zu 1) überlassen haben, sondern ihre Klage ist auf Ausgleich des Nachteils gerichtet, dass ihnen der Anlagebetrag nicht für eine anderweitige, für sie vorteilhafte Anlagemöglichkeit zur Verfügung gestanden hat. Entscheidend für die Abgrenzung ist, wer das Kapital hätte nutzen können. Nur soweit dies derjenige ist, dem das Kapital überlassen wurde oder sonst – etwa aufgrund eines vereinbarten Zahlungsziels – weiterhin zur Verfügung stand (vgl. BGH, Beschl. v. 25.3.1998, NJW 1998, 2060), handelt es sich um "Zinsen" im Sinne eines Nutzungsentgelts für das überlassene oder noch belassene Kapital.

Jedenfalls aber ist der geltend gemachte Anspruch auf Ausgleich anderweitig entgangener Anlagezinsen nicht als Nebenforderung neben der Rückforderung der Einlage anzusehen. Das Wesen einer Nebenforderung besteht darin, dass sie sachlich-rechtlich vom Bestehen einer Hauptforderung abhängig ist; sind die Forderungen dagegen nach materiellem Recht gleichrangig, so ist keine von ihnen eine Nebenforderung (OLG München, Beschl. v. 16.11.1993, NJW-RR 1994, 153); OLG Oldenburg, Beschl. v. 6.3.2007, OLGR 2007, 424; KG, Beschl. v. 18.2.2008 – 2 AR 7/08, NJW-RR 2008, 879). So liegt es hier. Denn die Forderung auf Rückzahlung des Anlagekapitals und ebenso die Forderung auf Ausgleich des anderweitig entgangenen Anlagezinses sind gleichwertige Berechnungsposten des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs (ebenso OLG Frankfurt, 9. Zivilsenat, a.a.O.; OLG Stuttgart, Urt. v. 16.3.2011, WM 2011, 976); letztere hängt nicht vom Bestand der ersteren ab, sondern beide haben ihren gemeinsamen Grund in dem von den Klägern geltend gemachten fehlsamen Verhalten bei der Anlageberatung. Für die Höhe des Zinsschadens ist vorliegend nicht entscheidend, in welcher Höhe den Klägern ein Rückforderungsanspruch bezüglich des angelegten Kapitals zusteht – dann wäre eine Nebenforderung anzunehmen -, sondern welche Beträge die Kläger bei den Wertpapiertransaktionen investiert haben mit der Folge, dass ihnen diese Beträge nicht für eine anderweitige Anlage zur Verfügung standen (a.A. OLG Frankfurt, 19. Zivilsenat, a.a.O.). Aus dem Beschluss des BGH v. 29.4.2010 – III ZR 145/09) ergibt sich nichts Gegenteiliges; die Entscheidung betrifft allein den Streitwert des dort geltend gemachten Feststellungsanspruchs in Abgrenzung zum Gegenstand der gleichzeitig erhobenen Zahlungsklage.

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