Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist kraft Zulassung nach §§ 55 Abs. 4, 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. 33 Abs. 6 RVG zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.

I. Die Beantwortung der Frage, in welchem Umfange dem Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalt Gebührenansprüche erwachsen, hängt von der Auslegung des Begriffes der "Angelegenheiten" in § 2 Abs. 2 BerHG ab.

1. Das Gebührenrecht des RVG regelt unmittelbar nur die Höhe einer einzelnen Gebühr und deren Abgeltungsumfang.

Nach § 44 S. 1 RVG erhält der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung von der Staatskasse in Höhe der nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Anlage 1, Teil 2, Abschnitt 5 VV (Nrn. 2500 bis 2508 VV) vorgesehenen Gebühr. Die Gebühr ist in den vorgenannten Vorschriften als Pauschalbetrag, unabhängig vom Wert des bzw. der Gegenstände der Beratung, geregelt. Nach § 15 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 RVG entgilt die nur einmal anfallende Gebühr die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung in einer bestimmten Angelegenheit.

2. Voraussetzung für den Vergütungsanspruch ist die Erteilung eines Berechtigungsscheins außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens in einer Angelegenheit i.S.v. § 2 Abs. 2 BerHG. Damit bildet der beratungshilferechtliche Begriff der Angelegenheit die Grundlage für den Vergütungsanspruch des die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalts; er erhält pro Angelegenheit i.S.v. § 2 Abs. 2 BerHG die gesetzlich vorgesehenen Pauschalgebühren.

3. Das BerHG enthält keine ausdrückliche Regelung zum Begriff der Angelegenheit i.S.v. § 2 Abs. 2 BerHG. Für die Auslegung des beratungshilferechtlichen Begriffs der Angelegenheit kann wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Rechtsordnung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Beratungshilfe aber auf Erkenntnisse zum gleichlautenden gebührenrechtlichen Begriff im RVG zurückgegriffen werden. Zwar ist auch der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt, für seine Auslegung bestehen jedoch weitere Anknüpfungspunkte. Dies betrifft insbesondere den Sinn der Begriffsbestimmung. Der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit dient zur Abgrenzung desjenigen anwaltlichen zusammengehörigen Tätigkeitsbereichs, den eine Gebühr i.S.v. § 15 Abs. 1 RVG abdecken soll. Unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks ist davon auszugehen, dass für die Zuordnung einzelner Gegenstände zu einer Angelegenheit jedenfalls regelmäßig ein einheitlicher Lebensvorgang vorliegen muss (vgl. Hartmann, KostG, 42. Aufl., 2012, § 15 RVG Rn 9 ff., insbes. 14 m.w.N.). Insoweit kommt es jedoch nicht auf den u.U. auch bei mehreren verschiedenen Angelegenheiten einheitlichen Anlass der Beauftragung, d.h. den Auslöser des Beratungsbedarfs, oder auf die – u.U. mehr oder weniger willkürliche – Zusammenfassung von Gegenständen in einem Auftrag an, sondern allein darauf, ob sich die anwaltliche Tätigkeit auf einen von anderen Sachverhalten abgrenzbaren Lebensvorgang bezieht und eine eigenständige anwaltliche Leistung erfordert (vgl. auch OLG Rostock, Beschluss v. 25.11.2010 – 10 WF 124/10, zitiert nach juris [= AGS 2011, 80]). Zudem hat der Gesetzgeber in den Vorschriften der §§ 16 bis 19 RVG beispielhafte Aufzählungen vorgenommen, welche eine einfachere Ermittlung ermöglichen sollen, ob bei verschiedenen – allerdings überwiegend allein im Rahmen von gerichtlichen Verfahren ausgeübten – Tätigkeiten eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen (krit. dazu Hartmann, a.a.O., § 16 RVG Rn 1 f.).

4. Im Rahmen der Auslegung des beratungshilferechtlichen Begriffs der Angelegenheit ist aber schließlich auch zu berücksichtigen, ob dadurch u.U. eine derartige Vergütungsbegrenzung bewirkt wird, dass sie dem Rechtsanwalt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zugemutet werden könnte (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 31.10.2001 – 1 BvR 1720/01, FuR 2002, 187; OLG Dresden, a.a.O., juris Rn 8 f.). Denn der Rechtsanwalt wird für die Beratungshilfe von Gesetzes wegen in die Pflicht genommen und kann sich dem Auftrag grundsätzlich nicht entziehen. Der gegen die Staatskasse gerichtete Gebührenanspruch für eine Angelegenheit ist äußerst niedrig und pauschal, d.h. unabhängig vom Wert der Gegenstände der Beratung bemessen, was u.U., je nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit bzw. nach den mit der Beratung verbundenen, eventuell auch erheblichen Haftungsrisiken zu unzumutbaren Belastungen des die Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalts führen kann.

II. Die Auslegung nach diesen Maßstäben führt hier dazu, dass die aufgrund der Gewährung von Beratungshilfe in "Trennung und Folgesachen" erfolgte Beratung/Vertretung durch die Beteiligte zu 1) in fünf "Angelegenheiten" i.S.v. § 2 Abs. 2 BerHG erfolgt ist.

1. Grundsätzlich ist die Beurteilung, ob die Gewährung von Beratungshilfe in einer familienrechtlichen Auseinandersetzung, die mehrere der in § 111 FamFG aufgeführten Arten von Familiensachen beinh...

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