Leitsatz

  1. Soweit Beratungshilfe bewilligt ist, tritt ein Forderungsübergang ein, infolgedessen nicht mehr der Widerspruchsführer, sondern der Rechtsanwalt Gläubiger des Erstattungsanspruchs ist (§ 9 S. 2 BerHG).
  2. Für eine gewillkürte Prozessstandschaft der Kläger als vormalige Widerspruchsführer fehlt es an dem vorausgesetzten schützenswerten Interesse der Ermächtigten, das Verfahren im eigenen Namen zu führen.

LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.5.2015 – L 6 AS 34/15

1 Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Freistellung der Kläger von den Kosten eines Widerspruchsverfahrens i.H.v. 177,25 EUR.

Die Klägerin zu 1), ihr 2009 geborener Sohn J (Kläger zu 2)) sowie der 2010 geborene Sohn E (Kläger zu 3)), die eine Bedarfsgemeinschaft bilden, beziehen von dem Beklagten Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit bestandskräftigem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen an die Kläger im betreffenden Zeitraum teilweise auf. Für die Klägerin zu 1) ergab sich ein Erstattungsbetrag i.H.v. 175,80 EUR, für den Sohn J ein Erstattungsbetrag i.H.v. 62,96 EUR sowie für den Sohn E ein Betrag i.H.v. 62,96 EUR. Daraus ergab sich eine Gesamtforderung i.H.v. 301,72 EUR. Der an die Klägerin zu 1) adressierte Bescheid enthält den weiteren Hinweis, dass der Bescheid, soweit er ihre Kinder betreffe, an die Klägerin zu 1) als gesetzlichen Vertreter ergehe. In einem weiteren Verfahren erklärte sich der Beklagte bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen und notwendigen Aufwendungen zu 2/3 zu erstatten. Des Weiteren wurde die Zuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig anerkannt. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragte daraufhin, die Kläger aus den im Einzelnen bezeichneten Kostenrechnungen freizustellen. Beigefügt war die an die Klägerin zu 1) adressierte Rechnung, welche nach den Vorschriften des RVG eine Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV) für 3 Auftraggeber i.H.v. 384,00 EUR zuzüglich einer Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV) i.H.v. 20,00 EUR, zusammen 404,00 EUR, aufführte, und hiervon 2/3 = 269,33 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer i.H.v. 51,17 EUR, insgesamt einen Betrag i.H.v. 320,50 EUR ausweist.

Die Dienstanweisungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) regeln unter Nr. 11. Abs. 1, dass vor einer Auszahlung von zu erstattenden Kosten im Vorverfahren und außergerichtlichen Kosten in Sozialgerichtsverfahren stets zu prüfen ist, ob gegen den Kläger Forderungen seitens der BA bestehen. Soweit die BA Forderungen gegen den Kostengläubiger hat, ist eine Aufrechnungsmöglichkeit nach § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu prüfen. Nr. 11. Abs. 2 sieht vor, dass, sofern eine Aufrechnung in Betracht kommt, diese nicht mit hoheitlichen Mitteln (Verwaltungsakt) erfolgt, sondern mittels einseitiger Willenserklärung. Dementsprechend teilte der Beklagte der Klägerin zu 1) mit, dass die Kosten i.H.v. 320,50 EUR erstattungsfähig seien, dieser Anspruch jedoch gegen die Forderung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid i.H.v. 177,25 EUR aufgerechnet werde (175,80 EUR sowie 1,45 EUR Mahngebühren). Der Differenzbetrag i.H.v. 143,25 EUR wurde an die Prozessbevollmächtigte der Kläger ausgezahlt.

Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung auf den beigefügten Berechtigungsschein der Beratungshilfestelle, haben die Kläger Klage beim SG erhoben. Die Kläger vertreten die Auffassung, die Aufrechnung gehe schon mangels Gleichartigkeit der Ansprüche ins Leere. Zudem würde nur bei von der Prozessbevollmächtigten vertretenen Leistungsempfängern in dieser Weise verfahren, was einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstelle. Die Aufrechnung sei auch nach Sinn und Zweck der Kostenvorschriften ausgeschlossen. Der Beklagte hat vorgetragen, bei dem Kostenerstattungsanspruch handele es sich um eine Forderung, die auf Geld gerichtet sei. Die Forderungen seien als Ansprüche auf Geld gleichartig. Der Aufrechnung stehe weder § 43 SGB II noch § 51 i.V.m. § 54 SGB I entgegen. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor. Die Aufrechnung werde generell in Verfahren mit Bevollmächtigten angewandt, sofern eine offene Forderung des Mandanten bestehe.

Das SG hat den Beklagten verurteilt, die Kläger von ihrer Verbindlichkeit aus der Rechtsanwaltsgebühren-Rechnung der jetzigen Prozessbevollmächtigten i.H.v. 177,25 EUR freizustellen. Die Klage sei als Leistungsklage zulässig und auch in der Sache begründet. Der Anspruch gegen den Beklagten auf Freistellung von ihrer noch bestehenden Verbindlichkeit aus der genannten Rechtsanwaltsgebühren-Rechnung ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung des§ 63 SGB X i.V.m. § 257 BGB. Der Anspruch sei nicht durch die erklärte Aufrechnung erloschen. Es mangele an der vorausgesetzten Gleichartigkeit der Forderungen. Der Anspruch auf Erstattung überzahlter Leistungen sei eine Geldforderung, während der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von einer Geldforderung gerade keine Geldforderung darstelle (BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZR 135/08). § 257 BGB, der mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ...

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