So was kommt von so was!

Diese immer wieder gültige Formulierung des Präsidenten der BRAK Axel C. Filges fällt einem spontan in zweierlei Hinsicht ein, wenn man dieses Urteil und den zugrunde liegenden Sachverhalt zur Kenntnis nimmt.

Zunächst einmal fehlt einem jegliches Mitleid dafür, dass der Rechtsanwalt mit 46,41 EUR nach Hause geschickt wird, nachdem er viele Jahre nach Inkrafttreten von § 34 RVG – wie viele, zu viele seiner Kollegen – auf eine notwendige Gebührenvereinbarung verzichtet hat.

Damit war und ist er in der Tat der schwerlich angreifbaren Beurteilung des Gerichts ausgeliefert und muss nunmehr damit leben, dass auch das Gericht nicht so recht wusste, wie mit diesem Sachverhalt umzugehen ist.

Fehlt es nämlich an einer Gebührenvereinbarung, so ist der Rechtsanwalt auf die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts verwiesen und muss zudem dann, allerdings auch nur dann, Kappungsgrenzen in Höhe von 190,00 EUR bzw. 250,00 EUR netto hinnehmen, wenn er seine Beratungsleistung gegenüber einem Verbraucher i.S.v. § 13 BGB erbringt.

Hier hat das Gericht sogar darauf verzichtet, bei der Rechtsanwaltskammer eine unverbindliche Auskunft darüber einzuholen, was denn bei solchen Beratungen die übliche bzw. ortsübliche Vergütung gewesen wäre, auf die es letztendlich ankommt.

Stattdessen nimmt das Gericht – ja, auch das kommt bei Gerichten immer wieder vor – auf eine längst veraltete Ausgabe von Gerold/Schmidt Bezug, in der der unvergessene Kollege Madert noch die schwerlich mit dem Gesetz zu vereinbarende Auffassung veröffentlicht hat, man müsse auf den Streitwert und auf den alten Gebührenrahmen von Nr. 2100 VV a.F. zurückgreifen.

Ein Blick in die neuere Kommentierung hätte geholfen, um festzustellen, dass auch im Gerold/Schmidt dieser Fehlbeurteilung nicht mehr gefolgt wird.[1]

Tatsächlich wird man wohl kaum annehmen können, dass sich der Gesetzgeber im Beratungsbereich von der gesetzlichen Vergütung im Jahre 2006 verabschiedet hat, um durch die Hintertür den außer Kraft getretenen Vergütungstatbestand von Nr. 2100 VV wieder einzuführen. So was kommt von so was, wenn veraltete Literaturmeinungen für die Urteilsfindung herangezogen werden. Andererseits kann natürlich auch darüber diskutiert werden, ob die Üblichkeit bzw. die Ortsüblichkeit darüber ermittelt werden kann, wie sich der Sachverhalt nach den durch § 14 RVG hervorgehobenen Kriterien des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, der Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des Haftungsrisikos einschließlich des Streitwertes sowie sonstige wichtige Umstände darstellt (vgl. insoweit erneut Gerold/Schmidt-Mayer, § 34 RVG, Rn 49 in der 20. Aufl.). Richtiger dürfte es nach wie vor sein, die Rechtsanwaltskammern um Auskunft zu bitten, denen zwar bislang auch keine empirischen Erkenntnisse über die Ortsüblichkeit der Vergütung vorliegen, die aber in der Regel zu praktikablen und der Wirklichkeit angemessenen Ergebnissen gelangen.

In dem hier zu beurteilenden Einzelfall dürfte allerdings die Beurteilung des Gerichts den Charme einer gewissen Plausibilität für sich in Anspruch nehmen können, da kaum zu erwarten ist, dass über eine Gebührenvereinbarung bei dem angenommenen Streitwert von gerade einmal 300 EUR eine wesentlich höhere Gebühr vereinbart worden wäre oder als ortsübliche Vergütung hätte festgelegt werden können.

Leider ist festzustellen, dass die Auslegung von § 34 RVG nicht nur Gerichten, sondern auch der Literatur noch Schwierigkeiten bereitet.

So findet sich in der ansonsten hervorragenden Darstellung der Anwaltsvergütung im Sozialrecht bei Hinne die falsche Auffassung wieder, man könne gegenüber Verbrauchern grundsätzlich nicht mehr Beträge über eine Vereinbarung erzielen als die im Gesetz genannten Kappungsgrenzen.

Tatsächlich stellt der Gesetzestext klar, dass diese Kappungsgrenzen natürlich nur dann – gegenüber Verbrauchern – gelten, wenn es an einer Gebührenvereinbarung fehlt (vgl. insoweit § 34 Abs. 1 S. 3 RVG, der ersichtlich nur auf die Fälle des Satzes 2 verweist, in dem es an einer Gebührenvereinbarung fehlt). Die Aussage, die Beratungsgebühren seien bei Verbrauchern limitiert, ist in dieser Allgemeinheit also keineswegs zutreffend.[2]

Möge die Entscheidung des AG und die hier vorzufindende Anmerkung erneut Anlass für Rechtsanwälte sein, die seit dem 1.7.2006 herrschende Rechtslage zu berücksichtigen und Gebührenvereinbarungen zu treffen.

Ansonsten kommt immer wieder so was von so was (s.o.)

Herbert P. Schons

AGS 11/2013, S. 510 - 512

[1] Vgl. nur Gerold/Schmidt-Mayer, 20. Aufl., § 34, Rn 49.
[2] So aber Hinne in: Anwaltsvergütung im Sozialrecht, 2. Aufl., S. 72, Rn 15.

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