Im Falle von Klage und Widerklage sind die Werte grds. zu addieren (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG). Gleiches gilt für Antrag und Widerantrag in Familiensachen (§ 38 Abs. 1 S. 1 S. 1 FamGKG). Ausnahmsweise findet eine Addition nicht statt mit der Maßgabe, dass nur der höhere der beiden Klagewerte gilt, wenn Klage und Widerklage derselbe Streitgegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG). Entsprechendes gilt in Familiensachen gem. § 38 Abs. 1 S. 3 FamGKG. Nach der sog. Identitätsformel des Reichsgerichts wurde eine Identität von Klage und Widerklage dann angenommen, wenn das Zusprechen der Klage zwingend zur Folge hat, dass die Widerklage abgewiesen werden muss und wenn das Zusprechen der Widerklage zwingend zur Folge hat, dass die Klage abgewiesen werden muss. Daher wurde früher in Konstellationen wie der vorliegenden in der Regel auch eine Wertaddition abgelehnt. Die neue Rspr. hat jedoch erkannt, dass auch eine wirtschaftliche Komponente hinzukommen muss. Es muss auch wirtschaftlich um das gleiche Interesse gehen. Daran fehlt es hier aber. Die vom Kläger verlangten 14.057,09 EUR und die von der Beklagten verlangten 5.081,27 EUR sind wirtschaftlich völlig verschiedene Positionen, sodass hier eine Wertaddition vorzunehmen ist. Wie das OLG zu Recht ausführt, handelt es sich nämlich nur um Teilpositionen. Bei solchen Teilpositionen liegt immer ein rechtlicher wechselseitiger Ausschluss vor. Wirtschaftlich geht es aber um verschiedene Werte. Dies mag man sich daran verdeutlichen, dass der gesamte Prozesserfolg bzw. Misserfolg für den Kläger bei 19.138,36 EUR liegt. Bekommt er seinen Pflichtteil nicht, verliert er aus seiner Sicht 14.057,09 EUR. Muss er dann auch noch 5.081,27 EUR zurückzahlen, dann steht er sich um 19.138,36 EUR schlechter. Daher ist hier eine Addition vorzunehmen.

Eine vergleichbare Lage ergibt sich in Familiensachen häufig bei Antrag und Widerantrag auf Zugewinnausgleich. Auch hier schließen sich Antrag und Widerantrag aus, da nur ein Ehegatte Zugewinnausgleich erhalten kann. Ungeachtet dessen wird aber auch hier addiert, weil es um wirtschaftlich verschiedene Positionen geht (OLG Köln AGS 2014, 282 = NJW-Spezial 2014, 380 = NZFam 2014, 607; OLG Hamm AGS 2016, 230 = FamRZ 2017, 549 = NZFam 2016, 423).

Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen

AGS 10/2021, S. 462 - 463

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge