Einführung

Mit vorliegender Abhandlung sollen die aktuellen Entwicklungen des Beratungshilferechts der letzten beiden Jahre aufgezeigt und wenn notwendig erörtert werden. Die Abhandlung untergliedert sich dabei systematisch in Fragen des Bewilligungsverfahrens einerseits und in Fragen des Vergütungs-/Festsetzungsverfahrens andererseits.

I. Allgemeines

Nach wie vor spielt das Beratungshilferecht eine tragende Rolle in der gerichtlichen Praxis: Wenngleich es dabei nicht um horrende Summen geht, nimmt die Beratungshilfe (BerH) bei der gerichtlichen Arbeit einen hohen Stellenwert ein. Denn letztlich geht es um den Dienst am Bürger, der unmittelbar ankommt. Obwohl jedes Gericht selbst über die BerH entscheidet, sind obergerichtliche Entscheidungen dazu eher seltener zu finden als es bspw. in anderen Gesetzen der Fall ist; seit der BerH–Reform 2014 ist hier zumindest "etwas Ruhe" eingekehrt. Während früher fast "täglich" Entscheidungen veröffentlicht wurden, finden sich heute nur noch wenige solche im Monat in den juristischen Datenbanken. Dies mag an einer Veröffentlichungsmüdigkeit einerseits, andererseits auch an klärenden Veränderungen seit dem 1.1.2014 liegen. Gleichwohl sollen einige neue Entscheidungen der letzten beiden Jahre hier kurz skizziert werden.

II. Bewilligungsverfahren

1. Angelegenheit

a) Überblick

Das Thema, ob eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen, kommt in der BerH-Rechtsprechung nicht zur Ruhe. Der Gesetzgeber hat es entgegen der ersten Planung dann leider doch versäumt, diesen Streitpunkt zu klären. Die Folge davon ist auch weiterhin ein "Tohuwabohu" der Rspr. zu dieser Thematik. Was das eine Gericht als "eine Angelegenheit" betrachtet, kann bei dem Gericht nur wenige Kilometer entfernt durchaus als mehrere Angelegenheiten zählen. Dies ist Folge der geringen obergerichtlichen Rspr. zum Thema einerseits, der "kleinteiligen" Zuständigkeiten im BerH-Verfahren andererseits.

b) Familienrecht

Gerade bei der familienrechtlichen Thematik kommt dies insbesondere zum Zuge. Die Thematik "Scheidungs- und Scheidungsfolgesachen; Regelungen des Getrenntlebens" bilden dabei stets "Konfliktpotential", was die Zahl der Angelegenheiten angeht. Nach wie vor differenzieren hier die Gerichte zwischen einer oder mehreren Angelegenheiten. Viele neuere Entscheidungen[1] vertreten mittlerweile die Ansicht, dass für den gesamten Kontext Trennung/Scheidung/Folgesachen von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist. Innerhalb dieses Meinungsumfeldes gibt es allerdings verschiedene Differenzierungen. Zunehmend werden in der obergerichtlichen Rspr. unterschiedliche Komplexe zusammengefasst. Die Scheidung bildet insoweit keine Zäsur, andererseits ist aber hier nicht im Einzelfall zu untersuchen, ob ein innerer Zusammenhang zwischen den Gegenständen besteht oder nicht.[2] Die Bildung der nachgenannten Komplexe schafft für die Praxis handhabbare und auch für die Beratungsperson nachvollziehbare, transparente Kriterien, wie im inneren Zusammenhang stehende Geschäfte im relevanten Beratungsbereich regelmäßig zu Angelegenheiten verbunden werden. In generalisierender Weise wird derzeit überwiegend von bis zu vier typisierten Komplexen ausgegangen,[3] nämlich Scheidung, Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem persönlichen Verhältnis zu Kindern (Personensorge, Umgang), Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Ehewohnung und dem Hausrat und finanzielle Auswirkungen (Unterhalt,[4] Güterrecht, Vermögensauseinandersetzung). In einigen neueren Entscheidungen wird nunmehr vertreten, dass aufgrund der ganz unterschiedlichen Lebenssachverhalte insgesamt sechs Angelegenheiten (Ehesachen, Kindschaftssachen, Ehewohnungs- und Haushaltssachen, Versorgungsausgleichssachen, Unterhaltssachen (Kindschafts- als auch Ehegattenunterhalt) sowie Güterrecht/sonstige Vermögensauseinandersetzungen[5] vorliegen können. Aber auch das Vorliegen von insgesamt acht Angelegenheiten (Trennungsunterhalt, Kindesunterhalt, Versorgungsausgleich, Vermögensauseinandersetzung, Scheidung, Besuchsrecht, elterliche Sorge sowie Hausrat)[6] wurde vertreten. Eine andere Meinung differenziert zwischen den Regelungen für die Zeit der Trennung vor Rechtskraft der Scheidung einerseits und die Scheidungs- und Scheidungsfolgesachen andererseits, diese stellen dann insgesamt zwei Angelegenheiten dar.[7] Die mit der Scheidung zusammenhängenden Tätigkeiten, die außergerichtlich abgewickelt werden sollen (etwa die außergerichtliche Erledigung von Zugewinnausgleichsansprüchen), gehören innerlich zusammen und stellen damit eine Angelegenheit dar.[8] "Veraltet" angesichts der mittlerweile unverkennbar stärkeren Tendenzen zu "mehreren Angelegenheiten" mutet indes die stringentere Rechtsauffassung an, die sich "weiterhin" für insgesamt nur eine Angelegenheit (mit mehreren Gegenständen) ausspricht. Unter "Herabziehung" von § 16 Nr. 4 RVG wird die Scheidungssache bzw. ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die entsprechenden Folgesachen als dieselbe Angelegenheit gesehen.[9]

[1] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.6.2013 – 9 W 13/13; OLG Düsseldorf MDR 2012, 1499; AG Pfor...

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