Gerade bei der familienrechtlichen Thematik kommt dies insbesondere zum Zuge. Die Thematik "Scheidungs- und Scheidungsfolgesachen; Regelungen des Getrenntlebens" bilden dabei stets "Konfliktpotential", was die Zahl der Angelegenheiten angeht. Nach wie vor differenzieren hier die Gerichte zwischen einer oder mehreren Angelegenheiten. Viele neuere Entscheidungen[1] vertreten mittlerweile die Ansicht, dass für den gesamten Kontext Trennung/Scheidung/Folgesachen von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist. Innerhalb dieses Meinungsumfeldes gibt es allerdings verschiedene Differenzierungen. Zunehmend werden in der obergerichtlichen Rspr. unterschiedliche Komplexe zusammengefasst. Die Scheidung bildet insoweit keine Zäsur, andererseits ist aber hier nicht im Einzelfall zu untersuchen, ob ein innerer Zusammenhang zwischen den Gegenständen besteht oder nicht.[2] Die Bildung der nachgenannten Komplexe schafft für die Praxis handhabbare und auch für die Beratungsperson nachvollziehbare, transparente Kriterien, wie im inneren Zusammenhang stehende Geschäfte im relevanten Beratungsbereich regelmäßig zu Angelegenheiten verbunden werden. In generalisierender Weise wird derzeit überwiegend von bis zu vier typisierten Komplexen ausgegangen,[3] nämlich Scheidung, Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem persönlichen Verhältnis zu Kindern (Personensorge, Umgang), Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Ehewohnung und dem Hausrat und finanzielle Auswirkungen (Unterhalt,[4] Güterrecht, Vermögensauseinandersetzung). In einigen neueren Entscheidungen wird nunmehr vertreten, dass aufgrund der ganz unterschiedlichen Lebenssachverhalte insgesamt sechs Angelegenheiten (Ehesachen, Kindschaftssachen, Ehewohnungs- und Haushaltssachen, Versorgungsausgleichssachen, Unterhaltssachen (Kindschafts- als auch Ehegattenunterhalt) sowie Güterrecht/sonstige Vermögensauseinandersetzungen[5] vorliegen können. Aber auch das Vorliegen von insgesamt acht Angelegenheiten (Trennungsunterhalt, Kindesunterhalt, Versorgungsausgleich, Vermögensauseinandersetzung, Scheidung, Besuchsrecht, elterliche Sorge sowie Hausrat)[6] wurde vertreten. Eine andere Meinung differenziert zwischen den Regelungen für die Zeit der Trennung vor Rechtskraft der Scheidung einerseits und die Scheidungs- und Scheidungsfolgesachen andererseits, diese stellen dann insgesamt zwei Angelegenheiten dar.[7] Die mit der Scheidung zusammenhängenden Tätigkeiten, die außergerichtlich abgewickelt werden sollen (etwa die außergerichtliche Erledigung von Zugewinnausgleichsansprüchen), gehören innerlich zusammen und stellen damit eine Angelegenheit dar.[8] "Veraltet" angesichts der mittlerweile unverkennbar stärkeren Tendenzen zu "mehreren Angelegenheiten" mutet indes die stringentere Rechtsauffassung an, die sich "weiterhin" für insgesamt nur eine Angelegenheit (mit mehreren Gegenständen) ausspricht. Unter "Herabziehung" von § 16 Nr. 4 RVG wird die Scheidungssache bzw. ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die entsprechenden Folgesachen als dieselbe Angelegenheit gesehen.[9]

[1] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.6.2013 – 9 W 13/13; OLG Düsseldorf MDR 2012, 1499; AG Pforzheim FamRZ 2012, 1415; OLG Hamm FamRZ 2012, 377; OLG Dresden FamRZ 2011, 1684; LG Marburg JurBüro 2011, 651; OLG Frankfurt FamRZ 2010, 230; so auch Nickel, MDR 2012, 1261, 1267; Niehren, AnwBl 2011, 212; Sefrin, DRiZ 2010, 84, 86.
[2] Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 3. Aufl., 2018, Rn 226.
[3] OLG Bamberg, Beschl. v. 27.4.2017 – 8 W 22/17; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.2.2018 – I – 10 W 23/18, FamRZ 2017, 549; OLG München Rpfleger 2015, 561; OLG Frankfurt (20. Senat) MDR 2014, 1152; OLG Schleswig Rpfleger 2013, 546; LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 23.9.2013 – 1 T 97/13; OLG Stuttgart AGS 2012, 589; OLG Nürnberg Rpfleger 2011, 531; OLG Celle NJW 2011, 3109; AG Pforzheim FamRZ 2018, 1353; 2016, 396.
[5] OLG Hamm NZFam 2017, 35; LG Saarbrücken, Beschl. v. 12.4.2017 – 5 T 28/17, n.v.; OLG Naumburg Rpfleger 2013, 625; so im Ergebnis auch als akzeptable Lösung gesehen: Clauss-Hasper, NZFam 2016, 735.
[6] OLG Düsseldorf NJOZ 2013, 1259.
[7] OLG Rostock NJW-Spezial 2011, 92; AG Andernach, Beschl. v. 13.4.2011 – 10 UR IIa 200/10 (Scheidung und Folgesache ist eine Angelegenheit); OLG Brandenburg Rpfleger 2010, 221; KG RVGreport 2010, 141; LG Kaiserslautern FamRZ 2008, 1970; OLG Stuttgart Rpfleger 2007, 84 (jedoch maximal zwei Angelegenheiten); RVGreport 2006, 466 m. teilw. abl. Anm. Hansens; Madert, AGS 2003, 77.
[8] So OLG Brandenburg Rpfleger 2010, 221.
[9] Madert, in: Gerold/Schmidt, § 15 RVG, Rn 25, § 16 Rn 17; LG Darmstadt FamRZ 2012, 812; AG Halle (Saale), Beschl. v. 7.9.2012 – 103 II 20/12; Beschl. v. 24.8.2011 – 103 II 7596/10; LG Osnabrück JurBüro 2007, 586; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 740; MDR 2004, 1186; LG Mönchengladbach JurBüro 2004, 217 und 2002, 421; LG Kleve Rpfleger 2003, 303; AG Koblenz FamRZ 2002, 480; AG Osnabrück ...

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