Die gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3, 4 RVG zulässige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter gegen die Entscheidung des AG hat in der Sache Erfolg.

1. Gem. §§ 45 ff. RVG ist die dem Verfahrensbevollmächtigten der Mutter aus der Staatskasse zu erstattende Verfahrenskostenhilfevergütung auf 860,97 EUR festzusetzen.

Denn dem Verfahrensbevollmächtigten steht aufgrund der erfolgten Verfahrenskostenhilfebewilligung auch eine einfache Einigungsgebühr gem. Nr. 1003 Abs. 2 i.V.m. Nr. 1000 Abs. 1 VV aus einem Verfahrenswert von 3.000,00 EUR i.H.v. 201,00 EUR nebst Umsatzsteuer zu.

Die Regelung ist auch in Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung anwendbar (a)) und die Voraussetzungen für das Anfallen der Gebühr aus dem gesamten Verfahrenswert sind im konkreten Fall erfüllt (b)).

a) Gem. Nr. 1000 Abs. 1 VV entsteht eine 1,5fache Einigungsgebühr u.a. für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (Nr. 1). Ist über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig, beträgt die Einigungsgebühr gem. Nr. 1003 VV 1,0. Unter Abs. 2 in der seit 1.9.2009 geltenden Fassung ist dabei geregelt, dass diese Gebühr in Kindschaftssachen auch entsteht für die Mitwirkung am Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleichs (§ 156 Abs. 2 FamFG) und an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, wenn hierdurch eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt.

Nr. 1003 Abs. 2 VV ist auch in einem wegen Gefährdung des Kindeswohls gem. §§ 1666 ff. BGB geführten Verfahren anwendbar (Schütz, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., 2015, VV 1003, Rn 7; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., 2017, VV 1000, Rn 67; Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 8. Aufl,. 2017, VV 1000, Rn 145; so wohl auch: Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., 2018, Nr. 1003 VV, Rn 17).

Dem Wortlaut nach differenziert die Regelung nicht zwischen unterschiedlichen Sorgerechtsverfahren, sondern spricht allgemein von Kindschaftssachen (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, ebenda).

Zudem entspricht es Sinn und Zweck der Regelung, auch die Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung mit zu erfassen. Die Einigungsgebühr dient ausweislich der Motive des Gesetzgebers dazu, "die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken" (vgl. BT-Drucks 15/1971, 204). Der Rechtsanwalt soll damit auch für die Mehrbelastung und die erhöhte Verantwortung entlohnt werden, den Mandanten zu überzeugen, sich mit der Gegenseite zu einigen (vgl. Schütz, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., 2015, RVG [VV 1000], Rn 2). Zwar gilt im Sorgerechtsverfahren nach § 1666 BGB der Amtsermittlungsgrundsatz, sodass eine getroffene Vereinbarung eine gerichtliche Prüfung am Maßstab des Kindeswohls nicht entbehrlich werden lässt. Dass dies indessen ersichtlich kein geeignetes Kriterium ist, um die Einigungsgebühr entfallen zu lassen, wird beispielhaft daran deutlich, dass Nr. 1003 Abs. 2 VV ausdrücklich anordnet, dass die Gebühr für die Mitwirkung am Abschluss an einem gerichtlich gebilligten Vergleich i.S.d. § 156 Abs. 2 FamFG entsteht. Die gerichtliche Billigung erfordert aber eine Kindeswohlprüfung, denn das Gericht billigt die Umgangsregelung gem. § 156 Abs. 2 S. 2 BGB nur, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht. Gleichwohl ist eine einvernehmliche Lösung in all diesen Fällen geeignet, das Gericht zu entlasten (vgl. Schneider/Wolf, ebenda). Denn unbestreitbar ist etwa der Begründungsaufwand für das Gericht bezüglich einer in das Sorgerecht eingreifenden Maßnahme geringer, wenn sich der betroffene Elternteil kooperationsbereit zeigt und mit einer solchen – soweit diese dann überhaupt noch erforderlich ist – einverstanden erklärt (vgl. dazu Ulrici, in: MüKo zum FamFG, 3. Aufl., 2018, FamFG § 38 Rn 23, der in Amtsverfahren trotz der bei gleichlaufenden Interessen aller Beteiligten vorzunehmenden eigenen gerichtlichen Prüfung aufgrund der typischerweise bestehenden hohen Wahrscheinlichkeit für eine Nichtanfechtung der im Einklang mit diesen Interessen ergehenden Entscheidung sogar einen Verzicht auf die Begründung auch in Amtsverfahren für opportun hält; so auch Abramenko, in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., 2018, § 38, Rn 28 speziell für das Verfahren nach § 1666 BGB; a.A. Bumiller, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl., 2019, § 38, Rn 6).

Hinzukommt, dass den Rechtsanwalt in Fällen, in denen die Beteiligten zu einer Vereinbarung finden, regelmäßig ein erhöhter (Überzeugungs-)Aufwand sowie eine gesteigerte Verantwortung gegenüber seinem Mandanten trifft.

Ist schließlich eine Vereinbarung geeignet, einen familiengerichtlichen Eingriff in das Sorgerecht entbehrlich werden zu lassen, entspricht dieses Vorgehen außerdem dem in den §§ 1666, 1666a BGB verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dem widerspräch...

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