ZPO § 91; RVG VV Nrn. 7003 ff.

Leitsatz

Der Grundsatz, wonach die Reisekosten eines außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Anwalts in Höhe der (fiktiven) Kosten erstattungsfähig sind, die bei Beauftragung eines Anwalts am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks entstanden wären (BGH, Beschl. v. 9.5.2018 – I ZB 62/17, AGS 2018, 319 – Auswärtiger Rechtsanwalt IX), gilt auch für das Berufungsverfahren; abzustellen ist in diesem Fall auf die Verhältnisse im Bezirk des Berufungsgerichts.

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 11.9.2018 – 6 W 33/17

1 Sachverhalt

Der Senat hatte der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Daraufhin hat der Kläger die Festsetzung der ihm entstandenen Anwaltskosten zur Festsetzung angemeldet, darunter auch die Reisekosten (Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld) seiner Prozessbevollmächtigten, die ihre Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks unterhalten. Das LG hat im Kostenfestsetzungsbeschluss Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld nur i.H.v. 592,23 EUR berücksichtigt. Gegen diese Beurteilung hat sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde gewandt. Der Senat hat daraufhin den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Er hat ausgeführt, es handele sich bei den Reisekosten und dem Abwesenheitsgeld der Prozessbevollmächtigten des Klägers – ausgehend von deren Kanzleisitz außerhalb des Gerichtsbezirks – nicht um notwendige Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich seien. Gleichzeitig wurde dem LG unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Frankfurt (AGS 2017, 101) aufgegeben zu prüfen, inwieweit fiktive Reisekosten bis zur Gerichtsbezirksgrenze erstattungsfähig sind.

Mit erneutem Kostenfestsetzungsbeschluss hat das LG die geltend gemachten Reisekosten abgesetzt und keine fiktiven Reisekosten berücksichtigt. Diese seien nach Auffassung des Landgerichts nicht erstattungsfähig. Gegen diese Beurteilung wendet sich der Kläger mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde, mit der die Festsetzung fiktiver Reisekosten bis zu den jeweiligen Gerichtsbezirksgrenzen erste und zweiter Instanz i.H.v. 368,00 EUR verlangt werden. Nach Übertragung des Verfahrens auf den Senat als Beschwerdegericht (§ 568 Nr. 1 ZPO) hat der Senat die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der BGH hat die Entscheidung des Senats aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückverwiesen (AGS 2018, 319 – Auswärtiger Rechtsanwalt IX); dem Senat ist aufgegeben worden, Feststellung dazu zu treffen, ob der Kläger die fiktiven Reisekosten zutreffend berechnet hat.

Im wieder eröffneten Beschwerdeverfahren haben die Parteien ergänzend Stellung genommen.

2 Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg; die vom Kläger geltend gemachten fiktiven Reisekosten sind erstattungsfähig.

1. Nach der Entscheidung des BGH sind tatsächlich angefallene Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts insoweit notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO und damit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei eine Rechtsanwältin mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte. Insoweit kann auf die Gründe der Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren Bezug genommen werden. Der von der Beklagten mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten erhobene Einwand, erstattungsfähig seien allenfalls die für die Vertretung in erster Instanz ermittelten fiktiven Reisekosten in doppelter Höhe, greift nicht durch. Der Rechtsbeschwerdeentscheidung lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, warum bei der Berechnung der erstattungsfähigen fiktiven Reisekosten für das Berufungsverfahrens nicht auf den am weitesten entfernten Ort innerhalb des Oberlandesgerichtsbezirks abzustellen sei.

2. Demnach sind die im vorliegenden Beschwerdeverfahren geltend gemachten fiktiven Reisekosten für beide Instanzen in voller Höhe erstattungsfähig. Insbesondere ist die Beklagte der vom Kläger vorgenommenen Berechnung dieser Kosten nicht entgegengetreten.

AGS 10/2018, S. 481

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