In seiner Entscheidung vom 10.5.2011 (2 W 15/11, veröffentlicht in GRUR-RR 2011, 341 = WRF 2011, 1322 = GRURPrax 2011, 359) hatte das OLG Düsseldorf das Verhalten der beteiligten Parteien und Prozessbevollmächtigten scharf kritisiert. Diese Entscheidung ist in der Anwaltschaft auf heftige Empörung gestoßen.

Das LG war davon ausgegangen, dass die Beteiligten bewusst einen zu geringen Streitwert, nämlich 5 Mio. EUR angegeben hatten, um Gerichtskosten zu sparen. Dabei hatte das LG offenbar unterstellt, dass die beteiligten Anwälte mit ihren Parteien wertunabhängige Vergütungsvereinbarungen getroffen hatten, sodass der Streitwert nur für die Gerichtsgebühren hätte von Bedeutung sein können. Das LG hat die Angaben der Beteiligten allerdings als nicht ausreichend angesehen und den Streitwert einfach auf den Höchstwert von 30 Mio. EUR festgesetzt. Das OLG hat diese Entscheidung bestätigt. Der Streitwert sei zu schätzen. Wenn von den Parteien nicht genügend Angaben gemacht würden, dann müsse der Höchstwert (§ 39 Abs. 2 GKG) festgesetzt werden. Es sei Sache der Parteien, detailliert und substantiiert vorzutragen, dass tatsächlich nur ein geringerer Wert maßgebend ist. Dann müssten sie dazu aber auch konkrete Berechnungsunterlagen etc. überlassen, was offenbar bislang nicht geschehen war.

Gleichzeitig sah sich das OLG auch dazu veranlasst, in dem Streitwertbeschluss den folgenden strafrechtlich relevanten Vorwurf auszusprechen:

"Die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigten erhalten Gelegenheit, binnen drei Wochen zu dem gegen sie bestehenden Verdacht eines gemeinschaftlichen versuchten Betruges zu Lasten der Landeskasse Stellung zu nehmen".

Das OLG unterstellt den Parteien demnach, bewusst niedrige Wertangaben gemacht zu haben, um Gerichtskosten zu sparen. Die Anwälte hätten sich daran beteiligt, entweder als Mittäter, Gehilfen oder Anstifter. Dieses Thema ist bereits in vielfältiger Art und Weise kontrovers aufgearbeitet worden.

Insoweit wird nur nochmals darauf hingewiesen, dass der Streitwert von Amts wegen festzusetzen ist. Die Beteiligten haben zwar Angaben zu machen (§ 61 GKG). An diese Angaben ist das Gericht aber nicht gebunden. Nicht einmal die Beteiligten sind an diese Angaben gebunden.

Ein Gericht kann auch nach § 64 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO (und muss dies ggf. auch) ein Sachverständigengutachten zur Höhe des Streitwerts einholen. Die Kosten dieses Sachverständigengutachtens tragen die Parteien, die unzureichende Angaben gemacht haben (§ 64 S. 2 GKG).

Die Amtsermittlung des Streitwertes wird von vielen Gerichten allerdings als lästig empfunden. Man verlässt sich lieber auf die Angaben der Parteien und droht ihnen strafrechtliche Konsequenzen an, anstatt der Amtsermittlungspflicht nachzukommen, die zugegebenermaßen Arbeit erfordert.

So weit, so gut. Bekanntlich hat jede Medaille aber auch ihre Kehrseite.

Wie verhält es sich denn, wenn ein Gericht den Streitwert fahrlässig oder gar vorsätzlich falsch festsetzt? Solche fehlerhaften Festsetzungen kommen häufiger vor, als fehlerhafte Festsetzungen aufgrund unzureichender Angaben der Parteien.

Wie häufig muss man z.B. OLG-Entscheidungen lesen, in denen erstinstanzliche Gerichte auf den Gesetzeswortlaut der §§ 44 GKG, 38 FamGKG hingewiesen werden müssen, nämlich dass bei einer Stufenklage auch dann der höhere Wert gilt, wenn es nicht zur Bezifferung der Leistungsstufe gekommen ist. Wie oft musste schon ein OLG das FamG darauf hinweisen, dass jedes Anwartschaftsrecht beim Versorgungsausgleich zu berücksichtigen ist. Wie oft musste ein OLG die Vorinstanz darauf hinweisen, dass auch fällige Beträge beim Unterhalt zu berücksichtigen sind etc. Spätestens im Wiederholungsfall dürfte Vorsatz zu vermuten sein.

Exemplarisch fällt der Blick gleich auf das OLG Oldenburg, das nicht nur rechts-, sondern auch verfassungswidrig regelmäßig den Streitwert in einer Ehesache bei beiderseits bewilligter Verfahrenskostenhilfe auf 2.000,00 EUR festgesetzt hatte und mindestens fünfmal vom BVerfG aufgehoben worden ist.

Nach der Logik des OLG Düsseldorf verwirklichen solche Richter zumindest objektiv den Tatbestand des Betruges zu Lasten der beteiligten Anwälte, weil deren Gebührenansprüche verkürzt werden. Darüber hinaus begehen sie auch objektiv den Tatbestand der Untreue. Sie sind nämlich von Amts wegen verpflichtet, den Streitwert richtig festzusetzen und damit Sorge dafür zu tragen, dass die der Staatskasse zustehenden Gerichtsgebühren auch eingenommen werden.

Wollten die Anwälte es dem OLG Düsseldorf gleichtun, dann müsste am Ende jeder zweiten Streitwertbeschwerde das Ausgangsgericht aufgefordert werden, zur Strafbarkeit des eigenen Verhaltens Stellung zu nehmen.

Aber auch der umgekehrte Fall kommt vor. Insoweit sei auf die Entscheidung des LG Dortmund (Beschl. v. 8.12.2010 – 5 O 70/10) hingewiesen. Das LG Dortmund hatte kurzerhand einen Mehrwert in Höhe von 275.000,00 EUR für einen Räumungsvergleich festgesetzt, obwohl nach ganz einhelliger Rspr. gar kein Mehrwert festzusetzen war. Das OLG Ham...

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