Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten ist rechtsfehlerfrei. Die Erstattung höherer Kosten kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen. Der Urkundsbeamte hat namentlich die Verfahrensgebühr zutreffend nach Nr. 3103 VV mit 170,00 EUR berechnet. Ebenso zutreffend hat er die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV mit einem Betrag von 32,50 EUR – ausgehend von 100 Fotokopien – festgesetzt.

Im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss ist zutreffend auf Nr. 3103 VV als dem hier einschlägigen Gebührentatbestand für die Verfahrensgebühr abgestellt worden, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin diese bereits im Vorverfahren vertreten und das Vorverfahren den mit der Klage begehrten Erlass desselben Verwaltungsaktes betroffen hat. Bei dem Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV handelt es sich um eine im Verhältnis zu Nr. 3102 VV vorrangige Sondervorschrift mit niedrigerem Gebührenrahmen (statt vieler nur Bayerisches LSG, Beschl. v. 18.1.2007 – L 15 B 224/06 AS KO; SG Berlin, Beschl. v. 2.10.2009 – S 164 SF 1112/09 E, AGS 2010, 34 ff.; Hartmann, KostG, 40. Aufl. 2010, VV 3103 Rn 1; Straßfeld, in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 197 Rn 40, alle m.w.Nachw.).

Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Rechtsanwalt aufgrund der durch die vorangegangene Tätigkeit im Verwaltungsverfahren erworbenen Sach- und Rechtskenntnisse im gerichtlichen Verfahren einen geringeren Aufwand hat (Bayerisches LSG, Beschl. v. 18.1.2007 – L 15 B 224/06 AS KO; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, VV 3103 Rn 3; Straßfeld, in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 197 Rn 40, alle m.w.Nachw.).

Der Gesetzgeber berücksichtigt diesen Synergieeffekt deshalb bei der Bemessung der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr gebührenmindernd, weil der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im vorausgegangenen außergerichtlichen Verfahren eine Vergütung nach § 17 Nr. 1 RVG erhält, deren Gebührenrahmen (Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 VV) höher ist als der Gebührenrahmen der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV (vgl. nur Straßfeld, in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 197 Rn 40).

Für eine (entsprechende) Anwendung der Nr. 3102 VV besteht somit vorliegend keinerlei Grundlage.

Die mit Wirkung vom 5.8.2009 durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30.7.2009 (BGBl I, S. 2449 ff.) eingefügte Regelung des § 15a RVG rechtfertigt entgegen der klägerischen Ansicht keine andere Beurteilung. Danach kann der Rechtsanwalt, wenn nach dem RVG die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorgesehen ist, beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren (§ 15a Abs. 1 RVG). Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden (§ 15a Abs. 2 RVG).

Dahinstehen kann, ob § 15a RVG überhaupt Relevanz hat in den Fällen, in denen der Auftrag für das anwaltliche Mandat – wie hier – vor dem 25.8.2009 erteilt wurde (s. zum Streitstand nur Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, § 15a RVG Rn 36 ff. m.w.Nachw. zur Rspr., insbesondere der des BGH).

Denn im gegebenen Zusammenhang geht es überhaupt nicht um eine Anrechnung nach dem RVG. Nr. 3103 VV ist gebührenrechtlich keine Anrechnungsvorschrift, sondern – wie dargelegt – ein Sondergebührentatbestand, der die anwaltlichen Erleichterungen durch die Vorbefassung ausschließlich über den niedrigeren Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV berücksichtigt (s. nur SG Berlin, Beschl. v. 26.7.2010 – S 180 SF 1707/09 E, AGS 2010, 433 f.; Beschl. v. 2.10.2009 – S 164 SF 1112/09 E, AGS 2010, 34 ff.).

Eine entsprechende Heranziehung des Rechtsgedankens des § 15a RVG ist mangels planwidriger Regelungslücke hier ebenfalls nicht angezeigt. Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung in § 15a RVG ausdrücklich nur den bisher nicht im Gesetz definierten Begriff der Anrechnung legal definieren, um unerwünschte Auswirkungen der Anrechnung zum Nachteil des Auftraggebers zu vermeiden und den mit der Anrechnung verfolgten Gesetzeszweck, dass der Rechtsanwalt für eine Tätigkeit nicht doppelt honoriert wird, zu wahren (BT-Drucks 16/12717, S. 2, 58).

Eine irgendwie geartete Anrechnung in diesem Sinne steht beim Sondergebührentatbestand der Nr. 3103 VV jedoch überhaupt nicht in Rede, unabhängig davon, dass der Gesetzgeber auch alleine auf die zivilgerichtliche Rspr. des BGH (s. dazu die Nachweise bei Winkler, in: Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl. 2009, § 15a RVG Rn 9) reagieren wollte, die mit dem Spezialgebührenrecht für Verfahren vor den Sozialgerichten nichts zu tun hat. Darüber hinaus hat das SG Berlin in seinem Beschl. v. 26.7.2010 (S 180 SF 1707/09 E, AGS 2010, 433 f.) ausfü...

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