RVG §§ 11 Abs. 1, 16 Nr. 2, Nr. 4 ; RVG VV Nr. 3335

Leitsatz

Der Anwalt, der seinen Mandanten im Scheidungsverfahren unter Bewilligung von PKH/VKH vertreten hat, kann für die weitergehende Vertretung in einem PKH/VKH-Prüfungsverfahren bezüglich einer dann nicht rechtshängig gewordenen Folgesache (hier: Unterhalt) gegenüber dem Mandanten nach § 11 RVG die Festsetzung von Gebühren nur in Höhe der Differenz verlangen, die sich nach Abzug der Wahlanwaltsgebühr aus dem von der PKH/VKH-Bewilligung umfassten Teil von der Wahlanwaltsgebühr für den Gesamtwert aus Scheidung und Folgesache ergibt.

OLG Celle, Beschl. v. 26.7.2010 – 10 WF 236/10

1 Sachverhalt

Rechtsanwältin D.-R. hat den Antragsgegner im Scheidungsverfahren, für welches das AG einen Gegenstandswert in Höhe von 11.353,00 EUR festgesetzt hat, als beigeordnete Rechtsanwältin vertreten und dafür Gebühren aus der Landeskasse erhalten. Im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 711,00 EUR begehrt. Rechtsanwältin D.-R. hat den Antragsgegner auch in diesem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren vertreten und in seinem Namen Stellung zu dem Antrag genommen. Das Unterhaltsverfahren ist nicht rechtshängig geworden, nachdem sich die Parteien auf den nachehelichen Unterhalt geeinigt haben.

Auf ihren Antrag hat das FamG gem. § 11 RVG die vom Antragsgegner an Rechtsanwältin D.-R. zu erstattenden Kosten auf 561,61 EUR festgesetzt. Dabei hat es die Gebühren dem Antrag entsprechend nach einem Streitwert für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren betreffend den nachehelichen Unterhalt (711,00 EUR x 12 = 8.532,00 EUR) gem. Nr. 3335 VV (1,0 Gebühren zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer) berechnet.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der das AG nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

Das OLG hat auf die Beschwerde die Festsetzung dahingehend abgeändert, dass an die Antragstellerin nur 142,80 EUR zu zahlen sind.

2 Aus den Gründen

Zutreffend geht das AG in seinem Nichtabhilfebeschluss zwar davon aus, dass es sich bei der Gebühr nach Nr. 3335 VV um eine selbstständige Gebühr handelt, die bei Rechtshängigkeit mit den Gebühren für das Hauptsacheverfahren zu verrechnen ist. Der Umstand, dass die Folgesache Ehegattenunterhalt nicht rechtshängig geworden ist, führt jedoch nicht dazu, dass eine Verrechnung nicht erfolgen kann. Denn nach § 16 Nr. 4 RVG handelt es sich bei Scheidungssachen und Folgesachen um dieselbe Angelegenheit. Das bedeutet, dass nicht anders zu verfahren ist, als wenn lediglich für einen Teil einer beabsichtigten Leistungsklage Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre. In einem derartigen Fall geht nach § 16 Nr. 2 RVG die zunächst entstandene 1,0-Gebühr nach dem Wert des PKH-Antrages in Höhe von 1,0 nach dem Wert des Klageantrages in der 1,3-Verfahrensgebühr für den Klageantrag auf. Vom Mandanten kann der Rechtsanwalt die Differenz verlangen, die sich nach Abzug der Wahlanwaltsgebühr aus dem Teil, für den PKH gewährt wurde, von der Wahlanwaltsgebühr aus dem Gesamtwert ergibt (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, VV 3335 Rn 65 m.w.Nachw.). Danach berechnen sich die vom Antragsgegner an Rechtsanwältin D.-R. zu erstattenden Gebühren wie folgt:

 
Praxis-Beispiel
 
1,0-Gebühr gem. Nr. 3335 VV aus  
(11.353,00 EUR + 8.532,00 EUR = 19.885,00 EUR) 646,00 EUR
./. 1,0-Gebühr gem. Nr. 3335 VV aus 11.353,00 EUR 526,00 EUR
Zwischensumme 120,00 EUR
19 % Umsatzsteuer 22,80 EUR
Gesamt 142,80 EUR

3 Anmerkung

Die Entscheidung ist zutreffend.

Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass Scheidungs- und Folgesachen nach § 16 Nr. 4 RVG als eine Angelegenheit gelten.

Des Weiteren handelt es sich bei dem Verfahren auf Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe und dem zugehörigen Verfahren, für das Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe beantragt wird, ebenfalls um dieselbe Angelegenheit (§ 16 Nr. 2 RVG).

Das bedeutet, dass im gesamten Scheidungsverbundverfahren die Gebühren aus Ehesache und Folgesache sowie Bewilligungsverfahren für Ehe- und Folgesache insgesamt nur einmal anfallen.

Soweit Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird, ist die Inanspruchnahme des Mandanten ausgeschlossen (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Soweit allerdings Prozesskostenhilfe nicht bewilligt wird, bleibt der Mandant in der Haftung, und zwar hinsichtlich der Wahlanwaltsgebühren.

Dabei dürfen aber jetzt allerdings nicht aus dem Wert der Nichtbewilligung einfach die Wahlanwaltsgebühren berechnet werden; es ist vielmehr die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu berücksichtigen. Der Mandant darf nur auf die Differenz der Wahlanwaltsgebühren zwischen dem Wert der Bewilligung und dem darüber hinausgehenden Wert in Anspruch genommen werden. Das folgt letztlich aus § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, der hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren bis zum Wert der Bewilligung eine Forderungssperre entfaltet.

Zwei Fälle sind hier auseinanderzuhalten:

  Ungeachtet der teilweisen Ablehnung der Prozess- oder Verfahrensko...

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