GKG §§ 41, 45 Abs. 1 GKG-KostVerz. Nr. 1900

Leitsatz

  1. Verpflichtet sich der Vermieter in einem Räumungsrechtsstreit zur Zahlung einer "Abfindung", damit der Mieter der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses zustimmt und auszieht, so führt die vereinbarte Abfindung nicht zu einem Mehrwert des Vergleichs.
  2. Verlangt der Beklagte widerklagend Ersatz seiner zur Abwehr der Kündigung vorgerichtlich aufgewandten Anwaltskosten, so handelt es sich nicht um eine wertneutrale Nebenforderung; vielmehr führt die Widerklage zu einer Erhöhung des Verfahrenswertes.

OLG Hamm, Beschl. v. 17.5.2011 – 7 W 13/11

1 Sachverhalt

Die Klägerin hatte den Beklagten nach Ausspruch außerordentlicher und ordentlicher Kündigungen eines Mietverhältnisses auf Räumung der überlassenen Gewerberaumflächen in Anspruch genommen.

Zwischen den Parteien war streitig, ob der Klägerin der begehrte Räumungsanspruch zustand. Widerklagend hat der Beklagte die Klägerin auf Zahlung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 1.761,08 EUR in Anspruch genommen. Der Rechtsstreit ist durch einen Vergleich beendet worden. Die Parteien haben sich darauf geeinigt, dass das Mietverhältnis spätestens zum 30.6.2011 endet. Im Gegenzug für die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages hat sich die Klägerin verpflichtet, dem Beklagten einen Betrag in Höhe von 275.000,00 EUR zu zahlen.

Das LG hat mit angefochtenem Beschluss den Streitwert für den Rechtsstreit gem. § 41 Abs. 2 GKG auf 53.686,08 EUR und den Gegenstandswert für den Vergleich auf 328.686,08 EUR (= 53.686,08 EUR + 275.000 EUR) festgesetzt.

Gegen diese Wertfestsetzung hat der Beklagte Beschwerde erhoben, mit der er geltend macht, dass die Abfindung in Höhe von 275.000,00 EUR zu keinem Mehrwert geführt habe.

Auf die Beschwerde hin hat das OLG den Streitwert auf 55.447,16 EUR herabgesetzt.

2 Aus den Gründen

Der streitgegenständliche Vergleichsmehrwert in Höhe von 275.000,00 EUR ist nicht entstanden, da die Parteien im Vergleich nur den Räumungsrechtsstreit erledigt haben, indem sie sich über die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages gegen Zahlung einer Abfindung geeinigt haben.

Streitgegenstand des Klageverfahrens war allein die Frage, ob die Klägerin vom Beklagten die vorzeitige Räumung des Mietobjektes verlangen konnte. Die Möglichkeit einer "Räumung gegen Zahlung" stand zwar im Raum, war aber nie Streitgegenstand und ist auch durch die bloße Vereinbarung im Vergleich nicht zum Streitgegenstand des erstinstanzlichen Klageverfahrens geworden.

Der damit klageweise allein rechtshängige Streit um die Räumung des Mietobjektes ist dadurch beendet worden, dass die Klägerin (erst) im Rahmen des Vergleichs die Verpflichtung zur Zahlung von 275.000,00 EUR übernommen hat, um die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses und damit die klageweise begehrte vorzeitige Räumung des Mietobjektes zu erreichen.

Geeinigt haben sich die Parteien also vergleichsweise über die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses, die Gegenstand des Klageverfahrens war. Der Wert eines solchen Streites bemisst sich gem. § 41 Abs. 2 GKG nach dem Jahreswert der Miete, der hier 53.686,08 EUR beträgt. Das gilt auch für den Gegenstandswert des Vergleiches; denn Gegenstandswert eines Vergleichs ist stets das, worüber sich die Parteien geeinigt haben, und nicht das, worauf sie sich geeinigt haben. Zu bewerten ist also nur der verglichene Gegenstand; eine im Gegenzug zu erbringende Ausgleichs- oder Abfindungszahlung ist für den Gegenstandswert unmaßgeblich (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rn 16 "Abfindungsvergleich"). Maßgeblich unter Wertgesichtspunkten ist daher allein die Einigung über den rechtshängigen Räumungsanspruch. Durch die Einigung auf eine "Räumung nur gegen Zahlung" entsteht kein Vergleichsmehrwert (so auch OLG Karlsruhe NJW-RR 2009, 444 = NZM 2009, 296 [= AGS 2008, 569] für die vergleichsweise Verpflichtung zur Zahlung einer Umzugskostenbeihilfe).

Da der Streitwert des Rechtsstreits und damit auch der Gegenstandswert des Vergleichs allerdings unter Berücksichtigung der Widerklage in Anwendung des § 45 Abs. 1 und 4 GKG die landgerichtliche Festsetzung übersteigen, ohne einen Gebührensprung auszulösen, war insoweit von Amts wegen gem. § 63 Abs. 3 GKG zugleich – wie aus dem Tenor ersichtlich – die landgerichtliche Festsetzung insgesamt aus Klarstellungsgründen zu korrigieren.

3 Anmerkung

Zu Leitsatz 1)

Ein Räumungsvergleich hat grundsätzlich auch dann keinen Mehrwert, wenn sich der Vermieter verpflichtet, eine "Umzugsbeihilfe" oder eine vergleichbare Abfindung zu zahlen. Der Wert einer Umzugskostenbeihilfe oder Abfindung, die vergleichsweise vereinbart wird, erhöht den Wert nicht, wenn sie lediglich gewährt wird, um die Auszugsbereitschaft des Mieters zu erhöhen.[1]

Wird die Umzugsbeihilfe oder die Abfindung dagegen als Gegenleistung zur Abgeltung anderer nicht anhängiger Ansprüche gewährt, dann wirkt sich dieses werterhöhend aus. Maßgebend ist dann der Wert des Anspruchs, der durch die Umzugsbeihilfe abgegolten werden soll

  als Gegenleistung für teilweisen Verzicht auf Räumungsfrist,[2]
  zur Abgeltu...

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