StPO § 404; ZPO §§ 114 ff.; RVG VV Nr. 4143

Leitsatz

Die Bestellung zum Pflichtverteidiger begründet als solche keine Gebührenansprüche des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse wegen eines auch verhandelten Adhäsionsantrages.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.4.2010–1 Ws 178/10

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wurde der Angeklagten zum Verteidiger bestellt. Im Hauptverfahren beantragte der Vertreter der Adhäsionsklägerin die Durchführung des Adhäsionsverfahrens, in welchem sie von der Angeklagten Schadensersatz begehrte. Nach Zustellung des Adhäsionsantrages wurde seitens der Angeklagten weder ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Schadensersatzklage gestellt noch beantragt, die Verteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren zu erstrecken. Auch von Amts wegen erfolgte keine Erweiterung der bereits erfolgten Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren.

In der Hauptverhandlung schlossen die Angeklagte und die Adhäsionsklägerin über die Schadensersatzforderung einen Vergleich. Zudem wurde die Angeklagte am selben Tag zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Der Verteidiger beantragte daraufhin die Festsetzung seiner Vergütung, darunter auch für seine Teilnahme am Adhäsionsverfahren.

Dieser Kostenfestsetzungsantrag wurde vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zurückgewiesen. Die Beiordnung als Pflichtverteidiger erstrecke sich nicht auf das Adhäsionsverfahren, weshalb die geltend gemachte Vergütung für die Teilnahme am Adhäsionsverfahren nicht aus der Landeskasse erstattet werden könne.

Die hiergegen vom Verteidiger eingelegte Erinnerung wies die große Strafkammer des LG zurück.

Die dagegen erhobene Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat, hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

Zwar ist für die Teilnahme am Adhäsionsverfahren eine Gebühr angefallen. Der Beschwerdeführer kann deren Erstattung indessen nicht aus der Landeskasse beanspruchen.

Prozesskostenhilfe gem. §§ 404 Abs. 5 StPO, 114 ZPO ist der Angeklagten mangels entsprechender Antragstellung nicht bewilligt worden, so dass ein Gebührenanspruch des Verteidigers gegen die Landeskasse hieraus ausscheidet.

Ein Erstattungsanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beschwerdeführer der Angeklagten als Verteidiger bestellt worden war.

Zwar wird von einem Teil der obergerichtlichen Rspr. und der Lit. (wegen des Meinungsstandes: vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 140 Rn 5) die Auffassung vertreten, die Bestellung des Pflichtverteidigers gelte für das gesamte Strafverfahren und damit auch für das Adhäsionsverfahren, vgl. beispielsweise OLG Köln StraFo 2005, 394 m. w. Nachw. [= AGS 2005, 436]. Dies wird vor allem damit begründet, eine Trennung der Tätigkeit des Verteidigers mit derjenigen des anwaltlichen Vertreters im Adhäsionsverfahren sei nicht möglich, weil praktisch keine Tätigkeit des Pflichtverteidigers für den Angeklagten denkbar sei, die nicht zugleich zumindest auch Einfluss auf die Höhe des im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Anspruchs haben könnte. Ein Angeklagter könne davon ausgehen, dass die Verteidigertätigkeit auch Auswirkungen auf das Adhäsionsverfahren habe.

Die Regelung des § 404 Abs. 5 S. 1 StPO, wonach einem Angeschuldigten auf Antrag unter den Voraussetzungen der §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, gelte nur für die Fälle, in denen die Voraussetzungen des § 140 StPO nicht vorlägen. Insofern sei der Angeklagte zwar besser gestellt als der Nebenkläger, weil die Bestellung zum Beistand des Nebenklägers gem. § 397a Abs. 1 S. 1 StPO nicht die Beiordnung für das Adhäsionsverfahren umfasst, vgl. BGH NJW 2001, 2486. Diese Besserstellung sei indessen gerechtfertigt, weil der Angeklagte es nicht in der Hand habe, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Ansprüche im Adhäsionsverfahren verfolgt werden. Bei ihm bestehe deshalb – im Unterschied zum Nebenkläger – kein Missbrauchsrisiko durch Geltendmachung von Gebührenansprüchen infolge aussichtsloser Adhäsionsanträge.

Der Senat schließt sich indessen der gegenteiligen Ansicht an, vgl. beispielsweise OLG Celle NdsRpfl. 2008, 112 [= AGS 2008, 229]; OLG Stuttgart Justiz 2009, 201 [= AGS 2009, 387]; OLG Bamberg OLGSt StPO § 140 Nr. 25, jeweils m. w. Nachw., wonach die Vertretung im Adhäsionsverfahren von der Pflichtverteidigerbestellung nicht erfasst wird.

Nach § 404 Abs. 5 StPO kann dem Angeschuldigten nur auf Antrag und nur unter den Voraussetzungen der §§ 114 ff. ZPO – und zwar unabhängig vom Antragsteller – Prozesskostenhilfe gewährt werden. Dass dies nur dann gelten soll, wenn der Angeschuldigte keinen beigeordneten Verteidiger hat, kann weder dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrer Entstehungsgeschichte entnommen werden, OLG Stuttgart a.a.O. Vielmehr stellt § 404 Abs. 5 S. 2 StPO klar, dass einem Angeschuldigten, der (bereits) einen Verteidiger hat, nach entsprechender A...

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