I. Problemstellung

Wer durch die unerlaubte Handlung eines anderen an Körper oder Gesundheit geschädigt worden ist, erhält infolge des schädigenden Ereignisses häufig Sozialleistungen eines Sozialversicherungsträgers. Paradigmatisch ist hier der Fall, dass ein gesetzlich Krankenversicherter nach einer von einem Dritten begangenen Körper- oder Gesundheitsverletzung eine ärztliche Heilbehandlung erhält und die Behandlungskosten von seiner Krankenkasse getragen werden. Ein Arbeitnehmer, der durch eine ihm zugefügte Körper- oder Gesundheitsverletzung arbeitsunfähig krank ist, hat gegen den Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen. In diesen Fällen steht dem Geschädigten zwar dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB, gegebenenfalls auch aus anderen gesetzlichen Haftungsnormen wie § 7 Abs. 1 StVG, ein Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger zu. Soweit die Kosten der ärztlichen Heilbehandlung von der Krankenkasse getragen werden bzw. aufgrund der Fortzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber kein Verdienstausfall entsteht, erwächst dem Geschädigten aber kein Schaden, den er vom Schädiger ersetzt verlangen könnte.

Nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X geht der gesetzliche Schadensersatzanspruch des Geschädigten jedoch auf den Versicherungsträger – namentlich die Krankenkasse – über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Nach der Parallelvorschrift des § 6 Abs. 1 EFZG geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Schädiger auf Ersatz des durch die Arbeitsunfähigkeit entstandenen Verdienstausfalls insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt fortgezahlt und darauf entfallende Sozialabgaben abgeführt hat. Auf der Grundlage des gesetzlichen Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X bzw. nach § 6 Abs. 1 EFZG kann der Sozialversicherungsträger oder Arbeitgeber im Umfang der von ihm an den Geschädigten erbrachten Leistungen Rückgriff beim Schädiger nehmen. Im Fall, dass der Sozialversicherungsträger oder Arbeitgeber mit der Geltendmachung des Rückgriffsanspruchs einen Rechtsanwalt beauftragt, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die hierdurch anfallenden Anwaltskosten vom Schädiger ersetzt verlangt werden können. Durch die Beauftragung eines Anwalts mit der außergerichtlichen Geltendmachung einer Forderung fällt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV zuzüglich Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV sowie gegebenenfalls Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV) an.

II. Deliktischer Erstattungsanspruch

1. Anspruch des Geschädigten

Macht der Geschädigte selbst einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung (z.B. aus § 823 Abs. 1 BGB oder aus § 7 Abs. 1 StVG) gegen den Schädiger geltend, so umfasst der ersatzfähige Schaden auch notwendige Kosten für einen mit der Geltendmachung des Anspruchs beauftragten Rechtsanwalt.[1] Der Geschädigte selbst kann also die durch die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs anfallenden Anwaltskosten unmittelbar aus der einschlägigen gesetzlichen Anspruchsgrundlage ersetzt verlangen; der Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten ist nicht davon abhängig, dass der Geschädigte den Schädiger zuvor mit der Ersatzleistung in Verzug gesetzt hat. Voraussetzung für die Ersatzfähigkeit der Anwaltskosten ist allerdings, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig ist.[2] Hieran kann es in einfach gelagerten Schadensfällen fehlen, insbesondere dann, wenn die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe klar ist und aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen wird.[3] Verfügt der Geschädigte in seinem Unternehmen über eine Rechtsabteilung oder juristisch geschultes Personal, so kann es ebenfalls an der Notwendigkeit der sofortigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts fehlen.[4] Von der Erforderlichkeit der Beauftragung eines Anwalts ist aber auch in diesen Fällen grundsätzlich auszugehen, wenn der Schädiger die Schadensregulierung verzögert.[5]

[1] Vgl. BGHZ 30, 154 (156 ff.); BGH NJW 1986, 2243 (2244); NJW 1995, 446 (447); NJW 2004, 444 (446); NJW 2005, 1112; NJW 2006, 1065; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 249 Rn 39; M. Stöber, AGS 2006, 261 (262).
[2] BGH NJW 1995, 446 (447); NJW 2004, 444 (446); NJW 2005, 1112; NJW 2006, 1065; MünchKomm-BGB/Oetker, 5. Aufl. 2007, § 249 Rn 175.
[3] BGH NJW 1995, 446 (447); NJW 2005, 1112.
[4] S. Bamberger/Roth/Schubert, BGB, 2. Aufl. 2007, § 249 Rn 74; MünchKomm-BGB/Oetker (Fn 2), § 249 Rn 175.
[5] BGH NJW 1995, 446 (447); Palandt/Heinrichs (Fn 1), § 249 Rn 39.

2. Anspruch des Sozialversicherungsträgers bzw. Arbeitgebers

a) Meinungsstand

In den Fällen des § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X und des § 6 Abs. 1 EFZG geht der gesetzliche Schadensersatzanspruch des Geschädigten kraft Gesetzes auf den Sozialversicherungsträger bzw. den Arbeitgeber über, soweit dieser infolge des Scha...

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