Der angefochtene Beschluss ist schon deshalb zu ändern, weil der Rechtspfleger zumindest bei seiner Nichtabhilfeentscheidung die jüngste Rechtsprechung des Senates zur Anrechnung der Geschäftsgebühr bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht berücksichtigt hat (Senat v. 23.6.2009–14 W 380/09). Tatsächlich kommt es hierauf allerdings nicht mehr an, weil aufgrund der Einführung des § 15a RVG der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr die Grundlage entzogen ist.

Im vorliegenden Verfahren ist die Geschäftsgebühr nach § 15a Abs. 2 RVG in der Fassung vom 4.8.2009 (BGBl I 2009, 2449, 2470, Art. 7 Abs. 4 Nr. 3) im Kostenfestsetzungsverfahren nicht mehr anzurechnen. Die Vorschrift ist nach Art. 10 S. 2 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften am Tage nach der Verkündung und somit am 5.8.2009 in Kraft getreten.

§ 15a Abs. 1 RVG regelt das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber. Es wird klargestellt, dass aufeinander anzurechnende Gebühren zunächst unabhängig voneinander in voller Höhe entstehen. Der Anwalt kann grundsätzlich jede abzurechnende Gebühr in vollem Umfang geltend machen. Allerdings bewirkt die Zahlung einer Gebühr, dass im Umfang der Anrechnung die andere Gebühr erlischt. Dem Anwalt stehen nicht beide Gebühren zu, sondern insgesamt nur der um die Anrechnung verminderte Gesamtbetrag.

Im vorliegenden Fall ist eine Geschäftsgebühr angefallen, wobei dahinstehen kann, ob nach Nr. 2300 VV oder nach Nr. 2503 VV. Ebenso unstreitig ist im Rechtsstreit eine 1,3-Verfahrensgebühr entstanden. In beiden Fällen (Nr. 2300 oder Nr. 2503 VV) sieht das Gesetz eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Rechtsstreites vor (Vorbem. 3 Abs. 4 VV und Nr. 2503 Abs. 2 VV). Nach § 15a Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt nunmehr jede Gebühr zunächst ungekürzt fordern, was zur Konsequenz hat, dass im Kostenfestsetzungsverfahren die Geschäftsgebühr nicht mehr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.

§ 15a Abs. 2 RVG schränkt das Forderungsrecht allerdings auf Einwand eines Dritten, im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten also des erstattungspflichtigen Prozessgegners, ein. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dass die Beklagten die außergerichtlich bei der Klägerin angefallene Geschäftsgebühr beglichen haben, wird nicht behauptet. Ausweislich der Klageschrift sowie der weiteren bestimmenden Schriftsätze und der Schadensberechnungen ist die Geschäftsgebühr im vorliegenden Verfahren auch nicht geltend gemacht worden. Es besteht auch kein Anhalt, dass die Geschäftsgebühr bereits in dem verfahrensbeendenden Vergleich mit tituliert wurde. Die von dem Vergleich erfassten Ansprüche hat der Bevollmächtigte der Beklagten in seinem Schriftsatz zusammengefasst. Die Geschäftsgebühr hat hier keine Erwähnung gefunden

Die Regelung des § 15a RVG findet nach Auffassung des Senates in allen noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren Anwendung, da sie am 5.8.2009 unmittelbar in Kraft getreten ist (ebenso OLG Stuttgart v. 11.8.2009–8 W 339/09; OVG Nordrhein-Westfalen v. 11.8.2009–4 E 1609/08, in diesem Heft S. 447; a.A. LAG Hessen v. 7.7.2009–13 Ta 302/09).

§ 60 Abs. 1 RVG steht einer solchen Sichtweise nicht entgegen. Nach § 60 RVG ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Dem reinen Wortlaut folgend wäre für die Anwendung des § 15a RVG damit auf den Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages abzustellen, wobei an dieser Stelle dahin stehen könnte, ob auf den die Geschäftsgebühr oder den die Verfahrensgebühr auslösenden Zeitpunkt der Auftragserteilung abzustellen ist.

Es kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die in § 15a RVG niedergelegten Grundsätze von Anfang an seiner Intention entsprochen haben und aus seiner Sicht der BGH (BGH NJW 2008, 1323; WuM 2008, 618; NJW-RR 2008, 1095; AGS 2008, 441; AGS 2008, 377 jeweils m.w.N.) einer vom wahren Willen des Gesetzgebers abweichenden Auslegung den Vorzug gegeben hat (BT-Drucks 16/12717, S. 67/68). Ziel der Einführung von § 15a RVG war also nicht eine Änderung des Gesetzes, sondern eine Änderung der Rechtsprechung. Der Gesetzgeber wollte den unverändert vorhandenen Begriff der Anrechnung klären (BT-Drucks 16/12717, S. 68). Der Gesetzgeber führt wörtlich aus:

"Da d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge