Leitsatz

Das Mahnverfahren ist eine Vorstufe des Streitverfahrens und bildet mit ihm eine einheitliche Instanz. Daher haftet der Anspruchsgegner, der dem Mahnbescheid widerspricht und seinerseits die Abgabe an das Streitgericht fordert, nicht als Antragsteller für die Gerichtskosten.

OLG Koblenz, Beschl. v. 16.3.2015 – 14 W 162/15

1 Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Ansicht des LG und des Vertreters der Staatskasse liegen die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 S. 1 GKG nicht vor, um den Beklagten zu 1) in die Kostenhaftung zu nehmen.

Nach § 22 Abs. 1 S. 1 GKG schuldet in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Kosten, wer das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat. Der Beklagte zu 1) hat aber das Verfahren im erstinstanzlichen Rechtszug nicht eingeleitet, sondern allein der Antragsteller mit der Beantragung des Mahnbescheides.

Es ist streitig, ob das Mahnverfahren und das sich anschließende streitige Verfahren den gleichen Rechtszug i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 GKG (vormals § 49 GKG mit dem Begriff der Instanz) bilden.

Die eine Auffassung stellt darauf ab, dass der Antrag auf Überleitung des Mahnverfahrens in das streitige Verfahren eine Prozesshandlung darstellt, mit der das Gericht aufgefordert wird, eine bestimmte Entscheidung zu erlassen, nämlich in das streitige Verfahren überzugehen. Das mache den Antragsgegner im Mahnverfahren zum kostenrechtlichen Antragsteller, wenn er über den Widerspruch hinaus auch die Abgabe an das Streitgericht beantrage. Es sei zwischen dem prozessrechtlichen und dem kostenrechtlichen Rechtszug zu unterscheiden (KG Rpfleger 1977, 336; KG Rpfleger 1980, 121; OLG Karlsruhe JurBüro 1995, 42; OLG Düsseldorf JurBüro 1984, 1696).

Nach anderer Auffassung stellt das Mahnverfahren lediglich eine Vorstufe des Streitverfahrens dar (BT-Drucks 12/6962, S. 65) und bildet mit diesem eine einheitliche Instanz (OLG München JurBüro 1984, 1698; OLG München MDR 1995, 1072; LG Osnabrück v. 12.4.2013 – 7 O 2656/12; Schneider, JurBüro 1969, 531). Eine Antragstellerhaftung des dem Mahnbescheid widersprechenden und die Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht beantragenden Anspruchsgegners komme deshalb nicht in Betracht.

Der Senat folgt der zweiten Auffassung. Es kann kein Streit darüber bestehen, dass das Mahnverfahren und das nachfolgende streitige Verfahren im prozessrechtlichen Sinne einen einheitlichen Rechtszug darstellen. Einen Grund, neben den prozessrechtlichen Begriff des Rechtszuges einen abweichenden kostenrechtlichen Begriff zu § 22 Abs. 1 S. 1 GKG zu etablieren, sieht der Senat nicht. Der einheitliche Rechtszug bildet sich auch kostenrechtlich darin ab, dass nach der Anm. Abs. 1 zu Nr. 1210 GKG-KostVerz. die im Mahnverfahren nach Nr. 1100 GKG-KostVerz. zu entrichtende Gebühr in der Gesamtgerichtsgebühr für das Verfahren im ersten Rechtszug aufgeht. Insoweit liegen auch nicht zwei selbstständig zu behandelnde Verfahrensabschnitte vor, die als verschiedene kostenrechtliche Rechtszüge qualifiziert werden könnten.

Auch § 22 Abs. 1 S. 2 GKG folgt diesem Grundgedanken, wenn selbst nach einem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid entgegen der älteren Rspr. (OLG Köln JurBüro 1983, 1684; KG Rpfleger 1980, 121; OLG Stuttgart JurBüro 1979, 734; KG Rpfleger 1977, 336) gerade nicht der den Einspruch erhebende Schuldner, sondern der den Erlass eines Vollstreckungsbescheides betreibende Antragsteller des Mahnverfahrens Kostenschuldner bleibt (BT-Drucks 12/6962, S. 65). Das Argument, dass der Antragsgegner keinen Antrag auf Abgabe an das Streitgericht nach einem Widerspruch stellen muss, während sein Einspruch von Amts wegen zur Abgabe führt, taugt als Unterscheidungsmerkmal nicht. Es ist der Antragsteller des Mahnverfahrens, der den Antragsgegner mit einem Prozessverfahren überzogen hat. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer prozessualen Kostengrundentscheidung als Ausgangspunkt für die Erstattungsfähigkeit der Rechtsverteidigungskosten des Antragsgegners obliegt es dem Antragsteller, das Verfahren zu Ende zu bringen. Die abweichende Auffassung (OLG Karlsruhe JurBüro 1995, 42), die bei fortgesetzter Untätigkeit des Anspruchstellers einen erneuten Prozess um die materiell-rechtliche Erstattungsforderung bezüglich der Rechtsverteidigungskosten auslösen könnte, überzeugt den Senat nicht. Der kostenträchtigeren Abgabe an das Streitgericht kann der Anspruchsteller mit der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO durch eine Rücknahme des Mahnantrages begegnen.

Ist der Rechtszug einmal eingeleitet, bleibt nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22 Abs. 1 S. 1 GKG unerheblich, ob weitere Anträge gestellt werden. Es kommt eben gerade nicht auf die einzelne Prozesshandlung innerhalb eines Verfahrens, sondern allein auf die Einleitung des Verfahrens eines Rechtszuges an. Insoweit bleibt entgegen dem OLG Karlsruhe (JurBüro 1995, 43) auch unerheblich, ob der Antragsgegner mit seinem Antrag auf Abgabe an das Streitgericht tatsächlich seinerseits "zum Angriff übergeht". Der Antrag auf Abgabe des Mahnantrages an das Streitge...

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