ZPO §§ 3, 935, 945

Leitsatz

  1. Verlangt eine Antragstellerin im Wege der Einstweiligen Verfügung nach einem Rücktritt vom Vertrag die Herausgabe des verkauften Kraftfahrzeugs, ist für den Streitwert – wie im Hauptsacheverfahren – der Verkehrswert des Fahrzeugs maßgebend.
  2. Ein Abschlag vom Verkehrswert kommt nur dann in Betracht, wenn die Antragstellerin mit ihrem Antrag im Verfahren der Einstweiligen Verfügung erkennbar nur eine vorläufige Regelung erstrebt, wie z.B. bei der Herausgabe an einen Sequester. Aus der Formulierung im Antrag "Herausgabe an den Gerichtsvollzieher bzw. an die Antragstellerin selbst" ergibt sich eine vorläufige Regelung, die zu einer Reduzierung des Streitwerts führen könnte, nicht.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.1.2020 – 9 W 51/19

1 Sachverhalt

Die Antragstellerin hat im Verfahren vor dem LG im Wege der einstweiligen Verfügung Herausgabe eines Kraftfahrzeugs von den beiden Antragsgegnerinnen verlangt. Ihren Antrag hat die Antragstellerin wie folgt formuliert:

 
Hinweis

"Die Antragsgegnerin zu 1) und 2) hat das in deren Besitz befindliche Kraftfahrzeug der Marke Renault Twingo, ..., an den Gerichtsvollzieher bzw. an die Antragstellerin selbst, hilfsweise an einen vom Gericht zu bestellenden Sequester herauszugeben."

Die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume nebst Garagen der Antragsgegner zu 1) und 2) zur Vollstreckung der Herausgabe wird gestattet.“

Zur Begründung hat die Antragstellerin angegeben, sie habe das Fahrzeug an die Antragsgegnerin zu 1) verkauft; diese habe den Kaufpreis nicht bezahlt. Daher sei die Antragstellerin vom Kaufvertrag zurückgetreten. Das Fahrzeug befinde sich inzwischen bei der Antragsgegnerin zu 2). Es sei der Antragstellerin nicht zuzumuten, ein Hauptsacheverfahren abzuwarten; denn dieses sei zeitintensiv. Außerdem sei zu befürchten, dass sich die Antragsgegnerinnen des Fahrzeugs in der Zwischenzeit entledigen könnten.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten hat die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen. Das LG hat daraufhin der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Streitwert auf 4.400,00 EUR festgesetzt. Bei der Streitwertfestsetzung im Verfahren der einstweiligen Verfügung gehe es nur um das Interesse der Antragstellerin an einer Sicherstellung des Fahrzeugs, und nicht um das Befriedigungsinteresse. Deshalb sei der Streitwert lediglich mit der Hälfte des Werts des Kraftfahrzeugs festzusetzen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen. Sie beantragen, den Streitwert auf 8.800,00 EUR festzusetzen. Bei einem Herausgabeantrag im Wege der einstweiligen Verfügung sei auch für das Verfahren der einstweiligen Verfügung der Hauptsachewert maßgeblich. Denn die Antragstellerin habe in erster Linie nicht eine Herausgabe des Fahrzeugs zur Sicherstellung an einen Sequester verlangt, sondern eine Herausgabe an sich selbst.

Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG vorgelegt. Das LG hat darauf hingewiesen, aus dem Charakter eines Antrags im einstweiligen Verfügungsverfahren ergebe sich, dass die Antragstellerin lediglich eine vorläufige Regelung beantragt habe.

Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen. Maßgeblich für den Streitwert sei, dass die Antragstellerin nicht ausschließlich die Herausgabe an sich selbst beantragt habe, sondern an den Gerichtsvollzieher und hilfsweise an einen Sequester.

2 Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen ist zulässig gem. § 32 Abs. 2 RVG, § 68 Abs. 1 S. 1 GKG. Die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen sind berechtigt, eine Beschwerde im eigenen Namen einzulegen, da ein höherer Streitwert zu höheren Anwaltsgebühren führt.

2. Die Beschwerde ist begründet. Der Streitwert für das Verfahren vor dem LG ist auf 8.800,00 EUR festzusetzen.

a) Maßgeblich für die Streitwertfestsetzung ist gem. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO das vom Gericht zu schätzende Interesse, welches die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verfolgt hat. Bei einem Herausgabeantrag entspricht das Interesse der Antragstellerin dem Wert des herauszugebenden Gegenstandes (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 3 ZPO Rn 16.92). Da der Wert des Kraftfahrzeugs mit 8.800,00 EUR anzusetzen ist, ist dieser Betrag für den Streitwert maßgeblich.

b) Zwar wird im Verfahren der einstweiligen Verfügung vielfach ein Abschlag vom Hauptsachewert vorgenommen, da das Verfahren der einstweiligen Verfügung in der Regel nur eine vorläufige Regelung zum Ziel hat. Dies gilt jedoch nicht für den vorliegenden Fall, da die Antragstellerin der Sache nach mit ihrem Antrag eine endgültige Regelung bezweckt hat. Dies rechtfertigt die Ansetzung des Hauptsachewerts (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 3 ZPO Rn 16.63).

Ein Abschlag vom Hauptsachewert wird bei Herausgabeanträgen im Verfahren der einstweiligen Verfügung dann vorgenommen, wenn im Antrag zum Ausdruck ge...

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