BGB §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 3, 362 Abs. 1; RVG § 14 Abs. 1

Leitsatz

Auch bei der Berechnung eines Vorschusses nach § 9 RVG sind die Kriterien des § 14 RVG und die Rspr. zur Höhe der Gebühren in Verkehrs-OWi zu beachten. Würde eine solche Betrachtung zu Gebühren unterhalb der Mittelgebühren führen, ist auch ein Vorschuss unterhalb der Mittelgebühren angemessen.

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 18.10.2018 – 8 C 186/18

1 Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist in der Sache ohne Erfolg.

I. Dem Kläger steht der mit der Klage nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung hinsichtlich des von der Beklagten gezahlten Betrags i.H.v. 146,25 EUR noch geltend gemachte Zahlungsanspruch i.H.v. 77,35 EUR gegenüber der Beklagten nicht zu.

1. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des geltend gemachten Vorschusses für seiner anwaltlicher Vertretung im Bußgeldverfahren gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrags ist durch die von der Beklagten unstreitig geleistete Zahlung i.H.v. 146,25 EUR gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Ein weitergehender Anspruch i.H.v. weiterer 77,35 EUR, wie mit der Klage noch begehrt wird, steht dem Kläger gegenüber der Beklagten nicht zu.

Von dem vom hiesigen Prozessbevollmächtigten des Klägers in seiner Rechnung v. 4.7.2018 berechneten Vorschuss i.H.v. 523,60 EUR brutto hatte die Beklagte mit ihrer Zahlung die besondere Gebühr gem. Nr. 5115 VV i.H.v. 160,00 EUR und die Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV i.H.v. 20,00 EUR jeweils zzgl. USt. unter Berücksichtigung der zwischen den Parteien unstreitigen vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung des Klägers i.H.v. 300,00 EUR ausgeglichen.

Die vom Klägervertreter mit 100,00 EUR zzgl. USt. in Rechnung gestellte Grundgebühr gem. Nr. 5100 VV hat die Beklagte lediglich mit einem Betrag von 75,00 EUR zzgl. USt. ausgeglichen. Ein weitergehender Anspruch steht dem Kläger hier nach Ansicht des Gerichts nicht zu. Die von der Beklagten erteilte Deckungszusage stellt zwar ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis hinsichtlich ihrer Erstattungspflicht in Bezug auf die gesetzlichen Gebühren eines Rechtsanwalts dar, das Anerkenntnis erstreckt sich jedoch naturgemäß nicht auf die Höhe der vom beauftragten Rechtsanwalt in Rechnung gestellten Gebühren, deren konkrete Höhe für die Beklagte bei Erteilung der Deckungszusage noch nicht bekannt ist.

Das Gericht teilt nicht die Rechtsansicht des Klägers, dass in Bußgeldverfahren stets von der Mittelgebühr nach Nr. 5100 VV i.H.v. 100,00 EUR auszugehen ist. Vielmehr ist diese Gebühr als Rahmengebühr gem. § 14 Abs. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers vom Rechtsanwalt nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Bedeutung des Bußgeldverfahrens für den Kläger, bei dem lediglich eine Verkehrsordnungswidrigkeit im Raum steht, ohne dass ein Fahrverbot oder auch nur die Eintragung von zu einem solchen führenden Punkten im Zentralregister drohte, war nach Ansicht des Gerichts unterdurchschnittlich, der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit angesichts des geringeren Tätigkeitsumfangs des hiesigen Prozessbevollmächtigten des Klägers ebenfalls. Daher entspricht die Bestimmung der Mittelgebühr nach Ansicht des Gerichts nicht billigem Ermessen, die von der Beklagten bei ihrer Zahlung zugrundegelegten Gebührenhöhe von 75,00 EUR zzgl. USt. ist hingegen angemessen.

Gleiches gilt für die Verfahrensgebühr gem. Nr. 5103 VV, die der hiesige Prozessbevollmächtigte aus den vorgenannten Gründen, auf deren nochmaligen Darstellung zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verzichtet wird, gem. § 14 Abs. 1 RVG nicht die Mittelgebühr von 160,00 EUR zzgl. USt. festsetzen durfte, vielmehr der von der Beklagten zugrundegelegte Betrag i.H.v. 120,00 EUR zzgl. USt. angemessen ist.

Für den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag i.H.v. 65,00 EUR netto = 77,35 EUR brutto zwischen den vom hiesigen Prozessbevollmächtigten des Klägers in Rechnung gestellten Vorschuss und dem von der Beklagten gezahlte Betrag sind auch weitere Anspruchsgrundlagen nicht ersichtlich.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO. Dabei entspricht es nach bisherigem Sach- und Streitstand billigem Ermessen, dem Kläger die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klageforderung nach den Grundsätzen des § 93 ZPO, die auch bei der Ermessensentscheidung des Gerichts nach § 91a ZPO zu berücksichtigen sind, aufzuerlegen. Denn der Kläger hat bereits unter dem 13.7.2018 Klage erhoben, nachdem die Beklagte nach ihrer ersten Reaktion auf die Vorschussrechnung des Klägers in ihrem Schreiben v. 5.7.2018 zwar eine vollständige Übernahme der in der Vorschussrechnung abgelehnt hatte. Eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung i.S.v. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB hat jedoch auch der Kläger bzw. sein hiesiger Prozessbevollmächtigter ausweislich seines Antwortschreibens ...

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