RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var.

Leitsatz

Auch vor einem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO kann eine Terminsgebühr entstehen, wenn der Richter jeweils telefonisch mit den Prozessbevollmächtigten beider Parteien über eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits verhandelt.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2011 – I-10 W 163/10

1 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig und begründet.

Mit Erfolg macht die Beklagte geltend, das LG habe zu Unrecht die zur Festsetzung angemeldete 1,2-Terminsgebühr nicht berücksichtigt. Es haben unstreitig Telefongespräche des Berichterstatters sowohl mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten als auch mit der Prozessbevollmächtigten des Klägers stattgefunden. Diese Gespräche waren gerichtet auf eine vergleichsweise Einigung der Parteien. Erst nach Scheitern der Vergleichsgespräche ist der Hinweisbeschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO ergangen.

Gem. Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV entsteht die Terminsgebühr für die Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts. Hier hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten an derartigen Besprechungen mitgewirkt. Es schadet nicht, dass diese Gespräche jeweils nur mit dem Gericht geführt worden sind. Im Gesetzestext heißt es ausdrücklich "auch ohne Beteiligung des Gerichts"; daraus folgt, dass die Besprechungen auch mit Beteiligung des Gerichts stattfinden können. Den Vergleich vorbereitende Besprechungen zwischen den Prozessbevollmächtigten finden auch dann statt, wenn diese ihre unterschiedlichen Vorstellungen über eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits dem Gericht mitteilen und dieses die Vorschläge und die Antworten hierauf an den jeweils anderen Anwalt weiterleitet (BGH v. 10.7.2006 – II ZB 28/05, MDR 2007, 302). Was für die Weiterleitung von Schriftsätzen im schriftlichen Vorverfahren gilt, ist auf die Weiterleitung im Wege des Telefonats entsprechend übertragbar. Telefoniert der Richter bald mit dem Kläger-, bald mit dem Beklagtenvertreter, um diese zu einer Einigung zu bewegen, so ist das auch ein auf die Erledigung gerichtetes Gespräch mit einem anderen als dem Auftraggeber; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Rechtsanwalt hier schlechter stehen sollte, als wenn er in einem Verhandlungstermin unter Mitwirkung des Richters eine Einigung bespricht (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., Vorbem. 3 VV Rn 132).

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage, ob vor einem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO eine Terminsgebühr entstehen kann, wenn der Richter jeweils telefonisch mit den Prozessbevollmächtigten beider Parteien über eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits verhandelt, wird gem. § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Mitgeteilt von RiOLG Birgit Goldschmidt-Neumann, Düsseldorf

2 Anmerkung

Die Entscheidung ist zutreffend. Die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV soll vor allen Dingen der Entlastung der Gerichte dienen. Beteiligt sich ein Anwalt an telefonischen Gesprächen mit dem Richter über die vergleichsweise Einigung des Rechtsstreits, so erspart er ihm damit einen Verhandlungs- bzw. Erörterungstermin, so dass nach Sinn und Zweck der Vorbem. 3 Abs. VV in diesem Fall eine Terminsgebühr anfällt.

Das OLG ist einerseits zu Recht davon ausgegangen, dass Vorbem. 3 Abs. 3, 3. Var. VV gerade nicht voraussetzt, dass es sich um ein Verfahren mit obligatorischer mündlicher Verhandlung handeln muss. Eine entsprechende Einschränkung wie in Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV ist in Vorbem. 3 Abs. 3 VV hier gerade nicht vorgesehen. Die gegenteilige Rechtsprechung des BGH[1] ist in der Instanzrechtsprechung daher auch zu Recht auf Ablehnung gestoßen.[2]

Andererseits unterliegt das OLG aber demselben Denkfehler des BGH und subsumiert nicht richtig.

Die Terminsgebühr bei einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO scheitert nicht daran, dass in diesem Verfahren keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist.

Nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV entsteht eine Terminsgebühr, wenn

  im Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist
 

im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder

  gemäß § 307 oder
  § 495a ZPO
  ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.

Die erste Voraussetzung ist auch bei einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gegeben, da im Berufungsverfahren nach § 525 i.V.m. § 128 ZPO auch im Berufungsverfahren mündlich zu verhandeln ist.

Es fehlt an der zweiten Voraussetzung, weil die Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kein Einverständnis der Parteien voraussetzt.

Es wird Zeit, dass der BGH seinen Fehler korrigiert.

Norbert Schneider

[1] AGS 2007, 298 = BGHR 2007, 369 = NJW 2007, 1461 = FamRZ 2007, 637 = NJ 2007, 223 = RVGprof. 2007, 78 = MittdtschPatAnw 2007, 242 = JurBüro 2007, 252 = MDR 2007, 742 = RVGreport 2007, 269 = zfsch 2007, 467 = NJ 20...

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