RVG § 15a Abs. 2; RVG VV Nrn. 2300, 3100, Vorbem. 3 Abs. 4

Leitsatz

Die Zahlung, die der beigeordnete Rechtsanwalt von seinem Mandanten oder einem Dritten auf den Teil der Geschäftsgebühr erhalten hat, der auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, kann nur insoweit auf seinen Gebührenanspruch gegenüber der Staatskasse angerechnet werden, als sie die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung für das konkrete Verfahren übersteigt.

OLG Zweibrücken, Beschl, v. 11.5.2010–2 WF 33/10

Sachverhalt

Die Kläger hatten den Beklagten zunächst außergerichtlich und sodann im Wege der Klage auf Abänderung einer notariellen Urkunde betreffend die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Das FamG hatte den Klägern Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung für den ersten Rechtszug bewilligt und ihnen Rechtsanwältin V. beigeordnet.

Die beigeordnete Rechtsanwältin hat ihre Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse im Einverständnis mit den Klägern an eine Verrechnungsstelle abgetreten. Die Verrechnungsstelle hat die Abtretung angenommen.

Die Zessionarin hat daraufhin beantragt, die Vergütung der beigeordneten Rechtsanwältin auf insgesamt 755,65 EUR festzusetzen. Hierin enthalten ist eine Verfahrensgebühr von 319,80 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer (1,3 Wertgebühr nach § 49 RVG aus dem Gegenstandswert von 11.358,00 EUR). Im Antrag ist mitgeteilt, dass die beigeordnete Rechtsanwältin für die außergerichtliche Vertretung bezüglich desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr gem. Nrn. 2300–2303 VV aus einem Gegenstandswert von 7.392,00 EUR erhalten hat, deren hälftige Anrechnung auf die Verfahrensgebühr jedoch unterbleibe, weil die Differenz zwischen den Prozesskostenhilfeanwaltsgebühren und den Wahlanwaltsgebühren höher sei als die hälftige Geschäftsgebühr (267,80 EUR netto).

Mit Beschluss hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des AG die Vergütung der Prozessbevollmächtigten der Kläger auf 436,97 EUR festgesetzt. Dabei hat er die mitgeteilte hälftige Geschäftsgebühr zuzüglich 19 % Umsatzsteuer auf den Vergütungsanspruch nach § 49 RVG angerechnet. § 58 Abs. 2 RVG, auf den sich die beigeordnete Rechtsanwältin für ihre Auffassung, dass eine Anrechnung zu unterbleiben habe, beziehe, sei auf den Vorschuss, den der Mandant seinem Anwalt auf die außergerichtlich entstandene Vergütung geleistet habe, nicht anwendbar.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Zessionarin hat das FamG zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich die Zessionarin mit der Beschwerde, der das FamG nicht abgeholfen hat.

Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Die beigeordnete Rechtsanwältin und damit auch die Zessionarin haben gegen die Staatskasse Anspruch auf Festsetzung der geltend gemachten vollen Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV. Eine Teilanrechnung der von den Klägern erhaltenen Geschäftsgebühr auf die von der Staatskasse gem. § 49 RVG geschuldete Verfahrensgebühr ist nicht gerechtfertigt.

1. Zwar ist Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV, wonach die wegen desselben Gegenstandes nach Nrn. 2300–2303 VV entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, auch anzuwenden, wenn dem Mandanten im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren der Rechtsanwalt beigeordnet wird. Die Vorbem. 3 Abs. 4 VV enthält insoweit keine Differenzierung. Die Anrechnung hat daher immer dann zu erfolgen, wenn vorprozessual eine Geschäftsgebühr entstanden ist und in einem nachfolgenden Verfahren eine Verfahrensgebühr anfällt, mag diese auch wegen Anwendung der Gebührenbestimmung des § 49 RVG geringer sein.

Die Anrechnungsregel gilt allerdings grundsätzlich nur im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten. Sie wirkt nicht ohne weiteres auch im Verhältnis zu Dritten, namentlich also in Kostenfestsetzungsverfahren.

Dies hat der Gesetzgeber nunmehr durch Einführung des § 15a Abs. 2 RVG, der auch für so genannte Altfälle gilt (vgl. Senatsbeschl. v. 29.4.2010–2 WF 6/10; BGH FamRZ 2010, 456 [= AGS 2010, 54] u. 2009, 1822 [= AGS 2009, 466]) klargestellt. Danach kann ein Dritter sich auf die Anrechnungsregelung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

Im Kostenfestsetzungsverfahren des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse ist letztere Dritte in diesem Sinne.

Die durch die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts entstandene Geschäftsgebühr ist von der Beiordnung nicht umfasst, weil diese nur die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens betrifft. Insoweit besteht mithin auch kein Anspruch des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse, sondern lediglich gegenüber seinem Mandanten. Die Voraussetzungen, unter denen sich die Staatskasse als Dritter auf die Anrechnungsvorschriften der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV berufen könnte, dürften daher grundsätzlich nicht gegeben sein.

Der beigeordnete ...

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